Die kleine große Welt der »Wundertüte«

Wenn Ihr in die Juliusstadt kommt, müsst Ihr die »Wundertüte« besuchen. Dort trefft Ihr auf wunderbare Dinge und eine Frau mit einer bewegten Geschichte und vielen tollen Ideen … mein Besuch ist schon ein paar Monate her. Da war es etwas einfacher, spontan auf einen Kaffee in der Wundertüte vorbei zu schauen. Aber auch aktuell seid Ihr bei der Inhaberin Elke Heinemann jederzeit willkommen – mal mit und mal ohne Termin oder Zeitweise nur zur Abholung. Der Besuch lohnt sich in jedem Fall.

Hinter diesen Türen haben sich schon viele Freundschaften angebahnt.
Hinter diesen Türen haben sich schon viele Freundschaften angebahnt. © Andreas Molau

Träume bis zur Wundertüte

Aufgewachsen im beschaulichen Lucklum und in Wolfenbüttel. Der Traum vom eigenen Café und stattdessen eine Lehre als Zahnarzthelferin. Wilde Jahre in Hannover und eine spannende Zeit in der »Herzog August Bibliothek« in Wolfenbüttel. Viel Familie und trotzdem immer eigene Wege. Das ist Elke Heinemann.

Wir sitzen am Tisch, mitten in der »Wundertüte« am Juliusmarkt. Kleine Figürchen schauen mich aus den Regalen an und zwinkern mir zu. Taschen, Schnitzwerk, Kleidung, Seifen, großer und kleiner Tüdelkram und Nützliches friedlich vereint in den Fächern, die Bastelbegeisterte und Kunsthandwerker mieten können.

Zauberhafte Gestalten schwirren in der Wundertüte durch die Luft …
Zauberhafte Gestalten schwirren in der »Wundertüte« durch die Luft … © Andreas Molau

»Ich war besessen von der Idee!«

Vor neun Jahren genau verwirklichte Elke Heinemann sich einen Traum. »Ich war besessen von der Idee, einen eigenen Laden zu haben, in dem wir selbstgemachte Dinge verkaufen können«, erzählt sie. Mit drei Frauen ging es los. Durch die Verbindungen einer der Mitstreiterinnen ergab sich der Kontakt für das jetzige Ladengeschäft.

Aber erzählen wir die Geschichte von vorn. Geboren wurde Elke Heinemann in Wolfenbüttel. Ihre ersten Jahre verbrachte sie in Lucklum. »Unsere Familie ist da tief verwurzelt«, sagt sie. Vier Generationen hätten auf dem Gut gearbeitet. Noch immer sei das Dorf deshalb ein Bezugspunkt für sie.

Ein Fotoalbum hat festgehalten, wie das alles begann …
Ein Fotoalbum hat festgehalten, wie das alles begann … © Andreas Molau

Die neue, nicht die weite Welt

Und auch die Familie, das wird in dem Gespräch immer wieder deutlich, ist ein fester Anker für die Frau, die sich heute nur mit schönen Dingen beschäftigt und eine kleine Oase inmitten der Juliusstadt geschaffen hat. Die Zahnarztlehre war kein Traumberuf, aber sie sei in diese Rolle reingewachsen.

»Die Arbeit mit den Menschen. Das hat mir schon gut gefallen«, resümiert sie. Ein Schreibtischmensch sei sie nie gewesen. Mit 19 Jahren zog es die Wolfenbüttelerin nicht in die große, weite Welt. Aber die Landeshauptstadt vor den Toren unserer Stadt war jedoch für die junge Frau zumindest eine neue Welt.

Elke Heinemann ist mit viel Herzblut dabei.
Elke Heinemann ist mit viel Herzblut dabei. © Andreas Molau

Durch die offene Tür und wieder zurück

»Da war etwas los. Die Kneipenszene, die Kultur. Ich habe mich wirklich sehr wohlgefühlt«, schwärmt sie. Von der verbreiteten Feindschaft zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel zu der Stadt westlich von Peine hat sie nie etwas gehalten. Sie jedenfalls habe von der Offenheit der Metropole profitiert.

1989 ging es trotzdem zurück in die Lessingstadt. Die junge Mutter war alleinerziehend. Und mit der Familie sei das Leben damals einfacher gewesen. Beruflich taten sich für sie neue Wege auf. »Beim Arbeitsamt bekam ich eine ABM-Stelle in der Verwaltung der »Herzog August Bibliothek«, berichtet sie.

Von Gelehrten und Schmuckstücken

»Das war wirklich eine Gottesgabe!« Für einen Augenblick hält Elke Heinemann in ihrer Erzählung inne und kommt ins Schwärmen. Der Grund sei nicht der Job gewesen, in der Verwaltung, sondern das Drumherum: Die Menschen, die Veranstaltungen, die sie dort erlebt hat. Besonders gute Erinnerungen hat sie an Professor Paul Raabe.

»Der Mann war unglaublich sympathisch. Er interessierte sich für jeden einzelnen Menschen in der Bibliothek und nahm auch Anteil an persönlichen Dingen«, so Heinemann. Konzerte, Bücherfeste und natürlich die Ankunft des Schmuckstückes der Bibliothek: das Evangeliar Heinrich des Löwen. Das alles sei ungeheuer spannend gewesen.

Das sind echte Lebensbegleiter.
Das sind echte Lebensbegleiter. © Andreas Molau

Von der Bücherwelt zum Kreativwerken

»Ich erinnere mich noch an diese Aktion. Der Hubschrauber, der vom Krankenhaus zur Bibliothek flog. Das Getuschele, wann wird es kommen? Das war aufregend«, blickt sie zurück. Auch zu den anderen Bibliotheksleitern weiß sie Geschichten. Professor Schmidt-Glintzer, der gern seine Zigarette in der Verwaltung schnorrte und dessen Kinder sie aufwachsen sah.

Und dann war da, immer nebenbei, die Leidenschaft, zum Kreativwerken, Basteln und Gestalten. Um die Jahrtausendwende produzierte Elke Heinemann, die diese Passion von ihrer Mutter geerbt hat, schon so viel, dass sie manches Mal nicht mehr wusste, wo sie das überhaupt unterbringen soll.

Von so einem Schiff hat jedes Kind einmal geträumt.
Von so einem Schiff hat jedes Kind einmal geträumt. © Andreas Molau

Eine verhängnisvolle Anzeige

Da fügte es sich gut, dass sie 2011 eine Anzeige las. In Braunschweig gab es einen Laden, in dem Kunsthandwerk verkauft wurde – so wie sie es selbst herstellte. Produzenten konnten sich Regale anmieten, um ihre Sachen nicht nur auf Kunsthandwerkermärkten anbieten zu können.

»Ich fuhr dort mit meiner Tochter hin, war begeistert von dem Konzept. Aber es gab keinen Platz mehr«, so Heinemann. Also wollte sie so etwas in Wolfenbüttel verwirklichen. »Mein Traum war sowieso schon immer, dass ich ein Café eröffne, mit Kultur und Musik vielleicht«, erklärt sie ihre Motivation.

Bunt gefilzt für warme Füße.
Bunt gefilzt für warme Füße. © Andreas Molau

Ein Traum wird wahr

Mit ihrer Tochter machte sie sich also auf die Suche nach einem geeigneten Raum, um diese Pläne umzusetzen. Dann waren da eine Freundin und eine Nachbarin, die sie als Verbündete gewann. Durch einen Zufall kam sie in die Juliusstadt. In dem jetzigen Geschäft stünden nur Fahrräder, habe eine ihrer Mitstreiterinnen damals gehört.

Dann ging die Sache schnell. Der Vermieter konnte überzeugt werden. Annoncen wurden aufgegeben, Handzettel verteilt. »Es dauerte nicht lange, da hatten wir genug Produzenten beieinander«, freut sie sich. Die erste Partnerschaft, 001, ist mit ihren Taschen und Kleidungsstücken immer noch dabei.

Auch Schmuck gibt es in der Wundertüte.
Auch Schmuck gibt es in der Wundertüte. © Andreas Molau

Ein Begegnungsort entsteht

In den ersten Jahren lief das Projekt neben der Arbeit. Dienstpläne wurden erstellt, damit der Betrieb anlaufen konnte. Der Ausbau des Geschäfts, sie holt im Gespräch ein Fotoalbum heraus, das ihre Tochter ihr geschenkt hat, sei ein Gemeinschaftsprojekt gewesen. Mit den Jahren seien Produzenten hinzugekommen, Trends hätten gewechselt – aber das Prinzip des Ladens sei immer gleich geblieben.

»Die »Wundertüte« hat sich zu einem Ort entwickelt, in dem Freundschaften geschlossen wurden und in dem viel entstand«, so Heinemann. Auch in Zukunft plant sie Workshops und freut sich, dass an dem liebevoll gedeckten Tisch, an dem wir sitzen, noch zahlreiche Gespräche stattfinden werden.

Die Wundertüte ist auch ein Handtaschenparadies.
Die Wundertüte ist auch ein Handtaschenparadies. © Andreas Molau

Allein und mit Zukunft

Inzwischen stemmt Elke Heinemann den Laden allein. Alles habe seine Zeit meint sie. Die gemeinschaftlichen Aktionen seien toll gewesen. Nun genieße sie, in ihrem zweiten Wohnzimmer kreativ schalten und walten zu können. Es gebe da viele Ideen. Aber dazu bedürfe es größerer Investitionen.

»Die können vielleicht meine Nachfolger umsetzen«, schmunzelt sie. Noch immer sei sie total motiviert. Trotzdem sei es ein gutes Gefühl, dass es Menschen gebe, die dieses Projekt nicht nur unterstützen und schätzen, sondern die es weiterführen würden.

Zehn Buchstaben und eine ganze Geschenkewelt
Zehn Buchstaben und eine ganze Geschenkewelt. © Andreas Molau

Besucht die »Wundertüte«

Von Lucklum, über Wolfenbüttel und Hannover wieder zurück in die Juliusstadt, in der sich auf wenigen Quadratmetern eine ganze Welt auftut. Wenn Ihr also einmal tolle Sachen entdecken wollt: 

Nehmt Euch ein bisschen Zeit, lasst Euch in der »Wundertüte« von den schönen Sachen verzaubern. Und bleibt unbedingt auf ein Tässchen Kaffee und einen Schnack bei einer wirklich interessanten Frau …

Weitere Informationen zur »Wundertüte«

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3 Gedanken zu “Die kleine große Welt der »Wundertüte«

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