Seit Oktober 2019 ist der »Ratskeller« in Wolfenbüttel wieder bewirtschaftet. Wir, Denver Künzer und Andreas Molau, haben der historienreichen Schenke einen Besuch abgestattet.
Gastfreundschaft ist ein schönes Wort. Es drückt eine Gesinnung aus, den Fremden freundlich zu empfangen. Jedes Mal, wenn ich essen gehe – und ich mache das gern – empfinde ich diese einladende Geste als das Besondere. Deshalb fand ich die Idee, die gastronomischen Angebote meiner Heimatstadt zu erkunden und darzustellen, auch sehr reizvoll.
»Gastlichkeit genießen« heißt die Rubrik unter der ich gemeinsam mit dem Fotografen Denver Künzer ab sofort jeden Monat ein Restaurant vorstelle. Unser Ziel ist es zu zeigen, was Wolfenbüttel – und insbesondere die Wolfenbütteler Innenstadt – kulinarisch alles zu bieten hat.
Entsprechend neugierig sind wir auf unseren ersten Termin für unsere neue Beitragsreihe im Herzen der Lessingstadt – im »Ratskeller«.
Das kulinarische Duo
Ich kenne Denver als Bierbrauer, Fotografen und aufgeschlossenen Zeitgenossen. Nun haben wir, wie Waldorf und Statler, freilich jünger, Zeit, uns näher kennenzulernen und zu kommentieren, was die Restaurantküchen zu bieten haben. Und was gibt es Persönlicheres als zu essen?
Wir treffen uns kurz vor sieben auf dem bereits dunklen Stadtmarkt.
Der Eingang zum »Ratskeller« ist mit Kerzen beleuchtet. Während ich hungrig auf den Tisch zustrebe, schießt Denver das erste Foto. Ich sitze fast – er kniet vor dem Kerzenensemble.
Mein Gewissen rührt sich. Aber in Erwartung auf das Essen nur ein bisschen. Wir haben einen gemütlichen Ecktisch bekommen. Der Gastraum ist ziemlich voll, obwohl es mitten in der Woche ist.
Bier und Wein im »Ratskeller«
Mein Gastro-Partner verrät mir zu Beginn, er sei kein »einfacher« Gast. »Ich habe rausgefunden, dass ich zum Beispiel modifizierte Stärke einfach nicht vertrage«, meint er. Da haben wir beim Studium der Speisekarte gleich das erste Thema. Während ich erwartungsvoll die Vorspeisen prüfe, kümmert sich der Brauer zuerst um das Bierangebot.
Ein »Ratskeller-Bier« soll es sein. Im Gegensatz zu meinem Grünen Veltliner kommt es zwar aus Franken – also nicht aus Österreich –, aber alles, was mit Gerstensaft zu tun hat und neu ist, reizt ihn. Der »Ratskeller«, so hatte ich schon vor dem Besuch auf der Internetseite gelesen, hat einen österreichischen Schwerpunkt.
Wer bekommt das Wiener Schnitzel?
Deshalb finden wir das legendäre »Wiener Schnitzel«, das aus Kalbfleisch sein muss sowie Kürbiscremesuppe, Kaiserschmarrn oder Salzburger Nockerln auf der Speisekarte. Andererseits gibt es aber auch internationale Gerichte und Interpretationen der heimischen Küche – von der italienischen Burrata zur Leber bis zum exotischen Thai-Curry.
Die Inneneinrichtung ist rustikal mit einem frischen Einschlag – keine brüllende Hirschkuh Gott sei Dank. Stattdessen erfreut freundlich warmes Holz das Auge.
Damit kontrastiert die grüne, moderne Bar. An den frei stehenden Tischen warten schlanke Sessel in zarten Farben auf die Gäste. Wir haben es uns auf einer Bank gemütlich gemacht.
Wer die Wahl hat …
Die Auswahl der Vorspeisen ist schwierig. Soll es, passend zur kühleren Jahreszeit, eine wärmende Suppe sein? Da empfiehlt sich die Weinschaumsuppe mit Forellenfilet und Nussbrotchips. Jakobsmuscheln mit Blumenkohl Pannacotta ist nichts für Denver. Denn der verträgt Blumenkohl nicht, wie er mir beim »Gruß aus der Küche« erzählt. Oder soll es doch etwas Kaltes sein?
Zweierlei Frischkäse mit Paprika und Kräutern zu Nussbrot und Baguette stimmen auf das Menü ein. Derweil entscheidet sich Denver für den Pflücksalat mit Ziegenkäse, Birne, Walnuss und Cranberry. Ich nehme das Carpaccio von der geräucherten Entenbrust mit Walnusskrokant, Trüffelöl und Alpenkräutern.
Kleine Kunstwerke auf den Tellern
Das, was da gereicht wird, schmeckt nicht nur gut, sondern es sieht auch richtig gut aus. Hier hat der Küchenchef bewiesen, dass er kleine Kunstwerke auf den Tellern anrichten kann. Wir probieren voneinander, zücken den Fotoapparat und sorgen damit an den Nachbartischen vermutlich für Verwunderung.
Auch weil wir den Kellner, der uns mit seinem italienischen Akzent geduldig und freundlich Auskunft gibt, mit zahlreichen Fragen traktieren. Wie ist es bei der Hauptspeise: Ist im Kartoffel-Gurkensalat modifizierte Stärke enthalten? Woher kommt das Bier? Die Beilage für das Wiener Schnitzel ist Denver-gerecht. Ich trete es ihm schweren Herzens ab.
Die Hauptspeise
Denn seit ich in Wien beim Figlmüller diese Delikatesse gegessen habe, bin ich ein echter Fan davon. Denver hatte sein diesbezügliches Erweckungserlebnis in der Sansibar und fiebert der Wolfenbütteler Version entgegen. Ich »begnüge« mich mit der Kalbsleber mit Burrata, Rotweinglace, Schmortomate, Zwiebelconfit und Sellerie-Kartoffelstampf.
Beide Gerichte schmecken nicht nur ausgezeichnet. Die Mischung von Bodenständigkeit und moderner Interpretation ist ebenfalls stimmig.
Dass das Teil des Konzeptes ist, erfahre ich nach unserem Abend von Nina Heptner. Sie ist eine Protagonistin des Quartetts, das gastronomisch nicht nur hinter dem Ratskeller steht.
Das Quartett hinter dem »Ratskeller«
Auch das »Komm« sowie der »Beach Club« (ehemals Strandwolf) werden von den zwei Paaren geführt, die der Zufall zusammengeführt hat. »Wir haben uns als Eltern in der Kinderkrippe kennengelernt«, erzählt Nina Heptner während eines Telefonats, das sie auf dem Weg zum »Ratskeller« mit mir führt. Peggy und Sven Siegmund kommen aus der Gastronomie, Nina Heptner und Jarek Kasperczyk aus dem Marketing.
Zunächst hatten die Vier das »Komm« übernommen, dann folgte der »Beach Club« und nun – aller guten Dinge sind drei – der »Ratskeller«. »Ich fand die Location schon immer super schön und war damals sehr traurig, als sie geschlossen wurde«, erinnert sich Nina Heptner. Es lag also gewissermaßen auf der Hand, den traditionsreichen Standort widerzubeleben.
»Ratskeller« – Musik und Bar
Bereits während des vergangenen Weihnachtsmarkts nutzten die Vier die leer stehenden Räume als Lounge mit Musik und Unterhaltung. Diese Tradition wird nun weitergeführt. Samstags um 22 Uhr verwandelt sich das Restaurant in einen Unterhaltungstempel, und Discjockeys sorgen für Rhythmus und gute Stimmung.
Das passt zum Gesamtkonzept des gastronomischen Standortes: deutsch-österreichische Küche, modern interpretiert. Und dazu lädt der Barbereich als Alternative zum klassischen Kneipenbesuch ein. Die Cocktails auf der Karte sehen ebenfalls verheißungsvoll aus…
Kein Dessert aber ein Prinz-Brand
Mit ein wenig Wehmut versagen wir uns am Ende das Dessert. Sowohl die Salzburger Nockerln als auch der Kaiserschmarrn haben uns angelacht. Aber die Zeit ist fortgeschritten und sättigungstechnisch ist der Nachtisch eigentlich deshalb kein Muss. So bleibt es bei einem Espresso nebst Prinz-Brand – der kommt ebenfalls aus der Alpenrepublik.
Unser Fazit zum »Ratskeller«
Der »Ratskeller« vereint klassische deutsche und österreichische Küche, macht jedoch genauso internationale Ausflüge. Wir haben uns wohlgefühlt in dem historischen Kellergewölbe, das trotz aller Historie Frische und Dynamik ausstrahlt. Wenn es wieder wärmer wird, freuen wir uns auf einen Besuch der Außengastronomie. Und dann bekomme ich das Wiener Schnitzel…
Hier noch ein paar Eindrücke von unserem Abend …
Weitere Informationen zum »Ratskeller«
- Adresse: Stadtmarkt 2, 38300 Wolfenbüttel
- Telefon: 05331 9357100
- eMail: info@ratskellerwolfenbuettel.de
- Webseite und Öffnungszeiten: www.ratskellerwolfenbuettel.de
Hallo Herr Moldau und Herr Künzer, ich lese mit Vergnügen Ihre Beiträge. Natürlich bin ich nicht immer einverstanden, aber das wäre ja auch langweilig.
Übrigens war ich vor vielen Jahren Denvers Englischlehrerin, er möge es mir verzeihen.
Waren Sie denn schon mal in der Weißen Schanze? Der Traum bei schönem Wetter und später halt drinnen, wenn Corona es erlaubt.
Ich freue mich auf weitere Veröffentlichungen.. Liebe Grüße Elisabeth Abele