Frühlingshafte Stadtsituation mit Denkmal und großer Info-Tafel

Mit Hörbehinderung unterwegs – Zwischen Fachwerk, Geschichte und digitalen Angeboten

Vor ein paar Wochen haben wir Besuch von einem alten Schulfreund meines Sohnes erhalten. Nachdem wir immer so geschwärmt haben, wollte der junge Mann, von Geburt an stark hörgeschädigt, unbedingt Wolfenbüttel erleben. Wir freuen uns sehr, dass er unserer Einladung gefolgt ist, und machen uns bei kühlen Temperaturen mit strahlendem Sonnenschein auf, die Stadt zu entdecken. Wir (mein Sohn und ich) sind mit seiner Behinderung vertraut. Umso spannender war für mich die Erfahrung, wie Inklusion und Barrierefreiheit in Wolfenbüttel umgesetzt werden. Allen voran die Frage: Wie empfinden Menschen mit Beeinträchtigungen die Angebote (sofern Sie vorhanden sind)? Welche Herausforderungen sind damit verbunden? Ich nehme euch mit auf eine Entdeckungsreise mit Perspektivwechsel. Seid gespannt.

Handydisplay zeigt Stadtführung
Digitale Stadtführung von Stadt-Land-Erleben. Foto: Luisa Drews

Am Abend vor unserer Stadtentdeckung sehen wir uns zunächst einmal das digitale Angebot „Rundgang durch Wolfenbüttel“ von Stadt Land Erleben an, um ihm einen Vorgeschmack auf den nächsten Tag zu geben. Mit Erfolg. Dafür ist nur ein Smartphone notwendig. Ohne Anmeldung, mit liebevollen Details und werbefrei sind bei den einzelnen Stationen alle wichtigen Informationen abrufbar. Kleiner Hinweis: Die Lessingstadt Wolfenbüttel bietet außerdem mehrere digitale Angebote an und ist auch auf YouTube und in Social-Media-Kanälen aktiv. Schaut einfach mal rein.

Barrierefreie Informationen

Wir parken am Bahnhof und starten von dort. Das Erste, was uns ins Auge fällt, ist die große Info-Tafel. Mit vielen Informationen ausgestattet und Weiterleitung zu den Sehenswürdigkeiten, die es zu entdecken gibt. Zweisprachig in deutsch und englisch und mit QR-Code, der zu digitalen Informationen führt. Das Leitsystem und die Ausschilderung in der ganzen Altstadt sind eine große Erleichterung.

Wir Menschen ohne Handicap gehen oft achtlos an diesen Dingen vorbei, aber für Menschen mit Beeinträchtigungen ist es ein Stück Lebensqualität. Dazu müsst Ihr wissen, dass unser Besuch bei einer großen Geräuschkulisse gar nichts mehr hört. Hier verständigen wir uns immer per Blickkontakt und Gestik. Durch den Seeliger Park (im Sommer werden wir hier unbedingt Disc-Golf spielen, aber heute war es leider zu kalt) setzen wir unseren Stadtrundgang fort und besuchen die Tourist-Info, um uns mit einem Stadtplan auszustatten. Das Smartphone und Google wissen zwar viel, aber eben auch nicht alles. In Sachen Barrierefreiheit von „Reisen für Alle“ geprüft, gab es ein sehr großes Lob für die Tourist-Info. Eine induktive Höranlage/-schleife! Das ist (leider) noch sehr selten, erleichtert für ihn aber die Verständigung enorm.

Tourist-Info mit geöffneter Tür
Die Tourist-Info ist Reisen für alle zertifiziert. Foto: Anna Meurer

Entdeckungsreise mit dem Smartphone

Von hier aus gehen wir auf den Schlossplatz mit dem wunderschönen Schloss und starten unsere Entdeckerreise via Smartphone „Rundgang durch Wolfenbüttel“. Die Begeisterung ist sofort zu spüren. Natürlich besuchen wir das Schloss Museum und tauchen ab in die Welt des Barocks. Durch die vielen visuellen Kontraste zwischen Exponaten und Umgebung sind alle Informationen (auch schriftlich) deutlich erkennbar für jeden Besucher, egal mit welcher Einschränkung. Das Museum verfügt zudem über Hörstationen und Audioguides, diese können von unserem Gast, aufgrund seiner Hörschädigung, leider nicht genutzt werden. Aber er kommt auch so sehr gut zurecht.

Audioguide und Schloss Museums Flyer
Der Audio-Guide ist nichts für unseren Besuch, aber es gibt auch so genug Informationen. Foto: Frauke-Maria Ohms

Weiter folgen wir dem Rundgang durch Wolfenbüttel. Über die Straße gelangen wir zum Lessinghaus und zur Herzog August Bibliothek. Lernen viel über die Schloss-Umgebung mit dem Bürger Museum, Zeughaus und Proviantspeicher. Im Bürger Museum ist die Wolfenbütteler Stadt- und Bürgergeschichte der letzten 500 Jahre zu sehen. Auch hier ist die Exponatsbeschilderung kontrastreich und visuell gestaltet und alle Informationen in schriftlicher Form, sowie über QR-Codes verfügbar. Anschließend gehen wir über die Krambuden zum schmalsten Fachwerkhaus in Niedersachsen. Eine wahrhafte Kuriosität im Kleinen Zimmerhof Nummer 15. Über Klein Venedig und die Stobenstraße gelangen wir zur Langen Herzogstraße und erfahren viel über die Geschichte und Bauwerke. Fachwerk oder Steinhaus, warum und für wen? Alle unsere Fragen werden gut erklärt beantwortet.

Kaffeepause mit Lessing

Jetzt muss erst einmal eine Pause her. Im Café Moena stärken wir uns bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen, bevor es weitergeht. Lustig wird es, als mein Sohn und sein Freund in der Wolfenbüttel App „Lessing lebt“ entdecken. Ein multimediales Angebot über Lessings Zeit in Wolfenbüttel und seine Werke mit 360-Grad-Videos und kurzweiligen gesprochenen Texten, die unser Gast auch ohne Untertitel ausreichend verstehen kann. Wunderbar und nur zu empfehlen. Wir müssen Tränen lachen, wie schön und verständlich Lessings Werke kindgerecht mit Figuren von Playmobil dargestellt werden. Überhaupt ist er von der ganzen Stadt mit den vielen Angeboten für Jung und Alt begeistert.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Weiter führt uns unser Rundgang durch die Kanzleistraße mit dem prächtigen Kanzleigebäude aus dem 16. Jahrhundert. Meine Sorge, er könnte nicht genug Informationen erhalten, ist vollkommen unbegründet. Zusammen mit den Erklärungen aus dem Rundgang via Smartphone und den Infotafeln an den einzelnen Gebäuden ist alles perfekt. Über den Holzmarkt mit der Trinitatiskirche gehen wir über die Harzstraße zur Kommisse.

Dieses Gebäude wurde 1588 errichtet und nicht nur als Handelshaus und Mühle genutzt, sondern war auch gleichzeitig ein städtisches Tanzhaus, Weinschänke, überdachter Marktplatz und Versammlungsraum der Bürger. Weiter führt uns der Weg zur Hauptkirche Beatae Mariae Virginis mit der Welfengruft. Einem fantastischen Kirchenbau mit Stilelementen aus Renaissance, Gotik und Barock. Das ist schon sehr beeindruckend. Unser Rundgang endet am Stadtmarkt. Vor dem Rathaus im wunderschönen Fachwerkstil 1590 errichtet, befindet sich das Reiterdenkmal von Herzog August. Auch heute finden auf dem Stadtmarkt noch regelmäßig der Wochenmarkt und viele weitere Veranstaltungen statt.

Rathaus Wolfenbüttel
Rathaus Wolfenbüttel

Fazit: Im Sommer unbedingt noch mal

Leider verging die Zeit wie im Flug und viel zu schnell ist der Tag zu Ende. Unser Besuch ist mehr als begeistert und kommt im Sommer wieder, um auch die vielen Outdoor-Angebote kennenzulernen. Wir freuen uns sehr, denn es hat uns auch die Augen geöffnet, wie wertvoll viele Dinge und Kleinigkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung sein können und ihnen das Leben erleichtern.

Mein Fazit: Wolfenbüttel ist eine Stadt, die sich sehr bemüht, allen Besuchern ein unvergessliches Erlebnis zu bieten, unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen. Die Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen sind vielfältig und tragen dazu bei, dass jeder Gast die Schönheit und Geschichte unserer Stadt genießen kann.

Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Der Audio-Rundgang zur Oker und den historischen Wasserwegen der Stadt. An 5 Stationen erfährt man über einen QR-Code die Geschichte dieser Orte. Alle Inhalte gibt es auch in Leichter Sprache und zum Lesen.

Ein Schild mit Infos und Karte vor Brunnen und großer Kirche
Die Stationen der Wasserwege sind mit Schildern gekennzeichnet. Foto: Stadt Wolfenbüttel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert