Rampe am Trashpark

5 alternative Orte in Wolfenbüttel, die auch Lessing gefallen hätten

Wolfenbüttel verbindet der gemeine Besucher vor allem mit Fachwerkhäusern, einem Schloss und dem großen Literaten Lessing. Ich hingegen bin ein großer Fan davon, hinter die offensichtlichen Sehenswürdigkeiten zu schauen und habe mich deswegen in Wolfenbüttel auf die Suche nach alternativen Orten gemacht. Herausgekommen ist eine bunte Sammlung von Plätzen, geschaffen von inspirierten Menschen, die meist die Idee hatten, sie könnten für Wolfenbüttel das ein oder andere besser machen.

Alternativer Ort 1:
KOMM Beach Club

Den Beach Club habe ich zufällig während eines Spaziergangs an einem sonnigen Tag im April entdeckt. Ich war überrascht, in Wolfenbüttel einen Beach Club vorzufinden – keine großen Seen oder rauschenden Bäche. Er liegt am Rande des Stadtgrabens, der in diesem Fall ein See ist, inmitten von Grünanlagen. Der strahlend weiße Sand verleiht ihm Karibikflair. Einige Klappliegestühle laden zum Verweilen ein.

Snack im Komm Beachclub
Snack im Komm Beachclub ©Claudia Sittner

Im Sand sitzend kannst du entspannt beobachten, wie Leute mit ihren Hunden spazieren gehen, stehen bleiben, ein Schwätzchen halten, während Waldi an der Leine zieht und lieber die Enten jagen möchte, die gerade von einer Mutter-Kind-Kombo mit Toastbrot gefüttert werden.

Mein Tipp: Schuhe ausziehen und den feinen, weichen Sand unter den Füßen kneten. Extra-erholsam und gut gegen Fernweh!

KOMM Beach Club Außenbereich
Der KOMM Beach Club in Wolfenbüttel ©Claudia Sittner

Kleine, aber sehr gute Karte

Oben gibt es einen Sitzbereich mit weißen Bänken und Sonnenschirmen. Und das beste: Es gibt richtig gutes Essen. Ich kann die Kombination Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat und zum Nachtisch Kaiseschmarrn empfehlen.

  • Wiener Schnitzel im KOMM Beach Club
  • Kaiserschmarrn im KOMM Beach Club

Der Koch ist Österreicher, und das schmeckt man auch. Der Burger, den mein Gegenüber hatte, sah ebenfalls sehr gut aus. Als Kleinigkeit kann ich das hausgemachte Brot mit Oliven und Aioli empfehlen. Wenn es etwas kälter ist, oder auch am Abend, ist es drinnen im Restaurant sehr gemütlich.

Gastraum im KOMM Beach Club
Gastraum im KOMM Beach Club ©Claudia Sittner

Alles ist mit Holz verkleidet, ich fühle mich an eine Hütte im Allgäu erinnert, der Koch vermutlich an dahoam. Die Lichterketten an der Decke sorgen für angenehm schummrige Beleuchtung. Unbedingt probieren: den Jäger-Mule – ein Moscow Mule mit Jägermeister anstatt mit Vodka – überraschend gut.

Frisch und motiviert übernommen

Den KOMM Beach Club hat Nina Heptner mit drei anderen Geschäftsführern erst im Mai diesen Jahres übernommen, pünktlich zur neuen Beach-Club-Saison, die noch bis Anfang Oktober geht. Die vier haben das Potenzial der Location erkannt und hatten Lust, mit einer kleinen, aber sehr vielseitigen Karte und viel Laune aus dem Beach Club einen Erfolg zu machen.

Nina Heptner mit ihrem Team im KOMM Beach Club
Nina Heptner mit ihrem Team im KOMM Beach Club ©Claudia Sittner

Wenn der Beach Club Anfang Oktober schließt, ist bis April Ruhezeit, damit sich Natur und Tiere im Naturschutzgebiet, in dem der Club liegt, erholen können. Wer ab Oktober die gute Küche vermisst, kann aber aufatmen und im Restaurant vom KOMM Tennisclub oder bald im KOMM Ratskeller vorbeischauen.

KOMM Beach Club

Alternativer Ort 2:
Trashpark

Graffiti vor der Tankstelle
Graffiti vor der Tankstelle ©Claudia Sittner

Den Trashpark Wolfenbüttel findet man nicht so einfach. Er liegt abschüssig im Hinterland hinter der Langen Straße. Die Aral Tankstelle dient als Wegweiser, und über einen Parkplatz gelange ich auf das etwas versteckte Gelände, wo gerade ein paar Jungs am Parcours trainieren, während ein paar Sprayer oder Skater vor zwei Bauwagen rumhängen. Die Rampen für die Skateboards sind unbefahren.

Trainingsanlage beim Trashpark
Trainingsanlage beim Trashpark ©Claudia Sittner

Einer der Sprayer ist Tommi (Namen geändert), der aus seinem Vollbart einen Dutt gemacht hat und dem sein nackter Oberkörper mir gegenüber unangenehm ist. Er gehört seit 17 Jahren zur Trashpark-Gang. Den Namen Trashpark haben sie damals selbst gewählt. Interessiert geht Benni, dessen Alter sich schwer definieren lässt, mit mir rum. Erzählt mir ein bisschen was zu einigen Graffitis. Erklärt mir z. B., was für eine Leistung es ist, die Ratte, auf der eine böse Salatgurke reitet, so plastisch zu malen.

Rampe am Trashpark
Rampe am Trashpark ©Claudia Sittner

Er zeigt mir das Stück, bei dem einer der Sprayer seine Freundin gemalt hat. „Für Rike“ steht links unten neben dem Porträt einer jungen Frau, der eine Kippe lässig aus dem Mundwinkel hängt.

Graffiti für Rike
Graffiti für Rike ©Claudia Sittner

Nebenan ist eine Unterkunft für Geflüchtete. Auch deren Wände sind bemalt. Bewohner*innen sehe ich kaum. Aber der Ort an sich ist schon etwas abgelegen. Trotzdem umfängt ihn eine ganz besondere Atmosphäre. Die Grünflächen sind wild bewachsen. Das Trashpark-Gelände ist so hart wie die zumeist recht jungen Männer, die es nutzen, auf den ersten Blick wirken. Und trotz ihrer Jugend scheint jeder von ihnen schon eine Geschichte zu erzählen zu haben. Es ist ein guter Ort, um sich an einem sonnigen Tage auf einen der Betonklötze zu legen und über das Leben nachzudenken. Ein anderer Ort. Einer, an dem sich Tommi am Ende unseres Rundgangs mit einer Ghettofaust verabschiedet. Trashpark-Style.

Graffiti
Graffiti ©Claudia Sittner

Trashpark Wolfenbüttel

  • Adresse: Lange Straße 39, Wolfenbüttel

Alternativer Ort 3:
Wolfenbütteler Eismanufaktur

Eis geht immer. Und als ich auf bei meiner Reise nach Wolfenbüttel irgendwo das Wort „Eismanufaktur“ lese, bin ich sofort neugierig auf den Laden von Christine und Jörg Borkowski. Er liegt ab vom Schuss in einem Wohn- und Gewerbegebiet und befindet sich im Erdgeschoss des Hauses der beiden. Der Außenbereich des Cafés ist der ehemalige Vorgarten des Reihenhauses. Wer nicht von der Wolfenbütteler Eismanufaktur weiß, findet sie auch nicht. Es gibt keine Laufkundschaft, aber immer eine Schlange von Eishungrigen, jedenfalls solange ich an meinen zwei Kugeln Eis futtere: Schokolade und Schmand-Salzkaramell mit Sahne und Krokantstreuseln im Glas.

Eis im Glas
Eis im Glas ©Claudia Sittner

Die Kunst des Eismachens

Die Eismanufaktur ist ein Lebenstraum vom Ehepaar Borkowski, die eigentlich nie etwas mit Eis zu tun hatten. Aber sie fanden irgendwann, dass es kein wirklich leckeres Eis mehr gibt in Wolfenbüttel. Nur noch Fertigzeug und Industrieprodukte. Also beschlossen sie: Das können wir besser. Machten an Wochenenden und im Urlaub eine Ausbildung auf der Eisfachschule.

Christine Borkowski
Christine Borkowski ©Claudia Sittner

Schließlich gibt Christine Borkowski ihren Job auf, auch ihr Mann steigt voll ins Eisgeschäft mit ein, betreibt aber weiterhin seinen Malerbetrieb. Sie investieren einen mittleren fünfstelligen Beitrag in eine richtig gute Eismaschine und funktionierten das Erdgeschoss ihres Hauses zu einer Eismanufaktur um.

Während die Chefin mir die Eismaschine zeigt, macht eine Mitarbeiterin Pause und isst genüsslich ein Eis. Immer das beste Zeichen, wenn die eigenen Mitarbeiter die Produkte mögen. Die junge Frau sieht beim Eisessen so friedlich vor der blauen Wand der Eisdiele aus, fast wie ein barockes Gemälde.

Eis in der Waffel
Eis in der Waffel ©Claudia Sittner

Für das Eis werden natürliche und, wenn möglich, regionale Produkte verwendet. Auf Zusatzstoffe und Aromen hingegen verzichten die Borkowskis. Die Biofrüchte – wie z. B. die frischen Grapefruits – kommen aus Mallorca. Dreimal die Woche produzieren die beiden frisches Eis.

100 Sorten in 5 Jahren

Der Vielfalt der Sorten sind keine Grenzen gesetzt. Das merkt man bei Sauerampfer-Joghurt oder Bergamotte, Christines Lieblingssorte. Seit sie den Laden vor fünf Jahren eröffnet haben, haben sie an die 100 Sorten gemacht. Christine zeigt mir ihre kleine Eis-Wall-of-Fame mit allen Sorten, von denen ich diese hier besonders bemerkenswert finde:

Ziegenfrischkäse + Kirsche + Feige
Tonka + Erdbeer + Rosmarin
Birne + Gorgonzola
Mohn + Marzipan
Bier

Während ich so mit Christine hinter der Theke stehe, schaue ich immer wieder rüber zur Kundschaft: lauter glückliche Gesichter. Eismanufakteur muss ein schöner Beruf sein. Wer weiß, vielleicht steige ich irgendwann nochmal um: Eis geht schließlich immer.

Wolfenbütteler Eismanufaktur

Alternativer Ort 4:
OkerPirat

Durch Wolfenbüttel fließt bekanntermaßen die Oker. An deren Rand hat sich ein kleines Piratennest angesiedelt: der OkerPirat aka Michael Stier. Den kleinen Betrieb am Juliuswehr gibt es seit 2007, er sieht ein bisschen aus wie Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt.

Eingang Okerpirat
Eingang Okerpirat ©Claudia Sittner

Wie ein echter Pirat (oder wie Pippi) macht auch Michael Stier, was ihm gefällt. Grummelig und unberechenbar piratisch sieht man ihn manchmal in der Innenstadt Wolfenbüttels – Kinder mögen ihn, sagt er.

Was der OkerPirat neben dem klassischen Bootsverleih sonst noch macht? Bier brauen (das Julius Bräu) zum Beispiel, ein Duell mit einem Historiker auf der Oker austragen oder eine Kanu-Tour, die mit einem Grillen endet. In seiner Flotte hat er außerdem das unsinkbare Boot Whaly, das sich gut für Kindergeburtstage eignet, ein paar Boards zum Stand Up Paddling und eine Floßfähre.

Glocke
Wer die Glocke am Quartier in der Marktstraße läutet, könnte einen Piraten wecken … ©Claudia Sittner

Wolfenbüttel vom Wasser aus

Auf der Fahrt erzählt der Fährmann was über die Geschichte Wolfenbüttels, es gibt Spreewaldgurken. Die Highlights der Fahrt sind, neben der unberührten Natur an den Oker-Ufern, der alte Baumbestand des Seeliger Parks, die Okerauen im Landschaftsschutzgebiet und ein 200 m langer Tunnel, in dem Fledermäuse und Spinnen hausen. Nichts für schwach besaitete Piratenanwärter.

Mit SUP-Boards kann man entweder allein oder regelmäßig geführt auf der Oker schippern. Bei der Bootstour „Zünftiges Ploppen“ geht es hingegen – wenig verwunderlich – um Bier, auch so ein Steckenpferd von Michael Stier. In die hohe Kunst des Bierbrauens kann man sich beim OkerPiraten ebenfalls einführen lassen.

Wer in Wolfenbüttel also mal ein kleines Abenteuer erleben und die Stadt vom Wasser aus sehen möchte, kann sich an den OkerPiraten wenden, der sich bis dahin vermutlich noch ein paar neue Geschäftskonzepte ausgedacht hat. Saison ist in der Regel von Mai bis September, im Zweifelsfall hilft die Website oder ein Anruf beim Piraten selbst.

Okerpirat Wolfenbüttel
Okerpirat Wolfenbüttel ©Claudia Sittner

OkerPirat

Alternativer Ort 5:
Treccino Kaffeerösterei

Noch ein alternativer Ort in Wolfenbüttel ist für mich das Treccino – Rösterei und Caffèbar in einem. Dazu muss ich sagen: Ich liebe Kaffee. Guten Kaffee zu bekommen macht mir immer wieder Freude. Und den gibt es im Treccino in unzähligen Variationen. Der kleine Laden liegt mitten in einer ruhigen Straße, in der kaum Autos fahren, sodass man wunderbar draußen sitzen kann. Die Plätze sind bei schönem Wetter schnell voll.

Treccino Außenbereich
Treccino Außenbereich ©Claudia Sittner

Drinnen riecht es nach den Aromen von frisch gebrautem Kaffee. Silberne Kaffeefässer stehen im Laden. In einem Regal kann man allerlei passendes Zubehör und Kleinigkeiten kaufen. Kaffeesäcke aus den Herkunftsländern der Arabica-Bohnen liegen gestapelt in einer Ecke.

Kaffeesäcke
Kaffeesäcke ©Claudia Sittner

Kaffee aus direktem Handel

Den Rohkaffee bezieht das Treccino direkt von den Erzeugern, was einige Vorteile mit sich bringt: Durch den direkten Handel landet der komplette Preis bei den Kaffeebauern vor Ort, man erfährt mehr über die Umstände des Anbaus der Bohnen und die sozialen Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte.

Treccino Innenbereich
Treccino Innenbereich ©Claudia Sittner

Die Kaffeebohnen kommen dabei aus aller Welt. Sie werden mehrmals pro Woche selbst in einem Trommelröster geröstet. Eine Hommage an Wolfenbüttel hat das Café mit den Sorten „Lessings Falk“ (Filterkaffee) und „Lessings Ernst“ (Espresso) geschaffen, die auch gleichzeitig ein ideales Mitbringsel für die Besucher der Lessingstadt sind.

Espresso-Auswahl im Treccino
Espresso-Auswahl im Treccino ©Claudia Sittner

Was das Treccino auch noch anbietet

Unter den diversen Sorten Kaffee fällt es schwer, sich zu entscheiden. Etwas einfallslos trinke ich einen Latte Macchiato, nehme dafür aber Espressobohnen aus Äthiopien und eine Kaffeeprobe für meinen Bruder zum Geburtstag mit.

Kaffee-Probierset
Kaffee-Probierset ©Claudia Sittner

Letztere besteht aus acht kleinen Tüten (je 40 g) mit ganz unterschiedlichen Kaffeesorten. Da kann man sich also richtig gut durchprobieren. Auch ein Kaffee-Tasting ist im Treccino möglich.

Treccino Rösterei Caffèbar

Über die Autorin: Claudia

Claudia hat Ende 2015 ihren großen Traum wahr gemacht und ist gemeinsam mit ihrem Freund ein Jahr lang durch 20 Länder über vier Kontinenten einmal um die Welt gereist.Dafür haben die beiden ihre Vollzeitjobs auf Eis gelegt, ihre Wohnung untervermietet und ihren Reiseblog weltreize.com gegründet. Seit sie zurück sind, nutzen sie jede Gelegenheit, um ihren liebsten Beschäftigungen nachzugehen: Reisen, Tauchen und Bloggen. Besonders gern schreibt sie über alternative Orte und Streetart.

Einen weiteren Beitrag über Claudias Besuch in Wolfenbüttel findet ihr auf dem Blog der aboutcities: Urbanes Bilderbuch Wolfenbüttel

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