Monika Steinig

Kaffeeverkostung in der »Treccino Rösterei« …

Wenn ihr selbst gemachte Kaffee-Spezialitäten nur in Großstädten vermutet, liegt ihr damit nicht ganz richtig. Denn auch bei uns in Wolfenbüttel wird Kaffee geröstet. Ich treffe das Ehepaar Monika und Andreas Steinig knapp zum Ende ihrer Geschäftszeit in ihrer »Treccino Rösterei«. Schon als ich den Termin vereinbart habe, hat mich Monika Steinig neugierig gemacht: »Wir bereiten etwas ganz Besonderes vor.« Und schon zur Begrüßung ahne ich, was heute auf mich wartet – eine echte Kaffeeverkostung!

Seit vier Jahren ist die Rösterei mit ihrem besonderen Angebot ein kulinarischer Botschafter der Lessingstadt: Kaffeeliebhaber können hier beispielsweise den kräftigen Espresso »Lessings Ernst« oder die milde Kaffeesorte »Lessings Falk« genießen. Das kleine Café ist in einem warmen Rotton gehalten und strahlt eine gemütliche Atmosphäre aus. Hier können Feinschmecker die Spezialitäten direkt neben dem Trommelröster mit allen Sinnen genießen. Denn egal ob vorne an den hohen Tischen oder im hinteren Bereich, wenn Monika Steinig Nachschub für den Verkauf holt duftet es aus den großen Vorratsdosen oder Kaffeesäcken überall verführerisch.

Der Traum vom handgemachten Kaffee

Angefangen hat alles mit der Liebe zum Kaffee und einer kleinen Ape. Damit verkaufte Monika Steinig auf Märkten ihr besonderes Produkt. Daraus wuchs die Idee, den Kaffee auch selbst zu produzieren. Andreas Steinig arbeitete in der Computerbranche, konnte sich aber für die Idee seiner Frau schnell erwärmen.

Die roten Sonnenschirme laden vor der Tür zum Verweilen ein.
Die roten Sonnenschirme laden vor der Tür zum Verweilen ein.
© Meyer-Hoitz

Nach Dienstschluss sitzt er abends des Öfteren noch »Am Alten Tore« vor dem roten Röster. Er überwacht mit vielen Formularen und Protokollen die Röstkurven seiner Sorten, um am Ende das perfekte Ergebnis zu bekommen. Bei dieser »Handröstung« arbeitet Andreas Steinig schonend und mit viel niedrigeren Temperaturen als in der Industrie. Während dort die Kaffeebohnen in dreieinhalb Minuten bei 400 bis 500 Grad durchgeschleust werden, nimmt er sich ganze 15 bis 20 Minuten Zeit zum Rösten. »Das macht den Kaffee am Ende bekömmlicher«, erklärt er mir.

Eine echte Kaffeeverkostung

Der Fachbegriff für die Verkostung von Kaffee lautet »Cuptasting« oder »Cupping«, was sich aus den englischen Begriffen »Cup« für Tasse und »Tasting« für Verkosten ableitet. Auf zwei zusammen geschobenen Tischen stehen schlichte Schalen ohne Henkel, seitlich mit dem dezenten Logo der Rösterei bedruckt.

Die schlichten Schalen ohne henkel mit dem Trecciono-Logo laden bei der Verkostung zum Probieren ein.
Die Schalen laden zum Probieren ein. © Andreas Molau, Stadt Wolfenbüttel

»Normalerweise gibt es für solche Verkostungen ein aufwendiges Protokoll«, informiert mich Andreas Steinig zur Begrüßung und zeigt mir ein Formular, das alle Möglichkeiten der Geschmacksempfindung zum Protokollieren ausweist. Darin lese ich diverse Begriffe für die richtige Geschmacksbeschreibung: »Säure«, »Bitterkeit«, »Süße«, »Körper« und »Verweildauer«. Die Tabellen wirken auf mich offiziell und fachspezifisch. »Keine Angst, wir machen nur die abgespeckte Version«, zwinkert mir Monika Steinig zu.

Kaffee ist nicht gleich Kaffee

Seit einiger Zeit bietet die Rösterei Kaffeeseminare für ihre Kunden an. Dabei berichtet Andreas Steinig zuerst über den Anbau und die Verarbeitung von Kaffee, bevor es dann weiter zum Probieren geht. »Uns geht es darum, unsere Kunden ein bisschen dafür zu sensibilisieren, dass Kaffee nicht gleich Kaffee ist«, sagt mir Andreas Steinig. Der Unterschied lässt sich am besten testen, indem das schwarze Getränk ohne Milch und Zucker probieren wird, verrät mir Monika Steinig. »Ich empfehle das gern, wenn Kunden bei uns einen Kaffee trinken«, sagt sie mir schmunzelnd. Bei dem puren Genuss des Kaffees wird die viele Mühe und der Entstehungsprozess rund um die »Tasse Kaffee« ein bisschen gewürdigt: Von dem Farmer, der die Kaffeebäume mühevoll pflegt und die Bohnen erntet und trocknet, über den weiten Transportweg nach Europa bis zur abschließenden Röstung. Die Herkunft der Kaffeebohnen, die bei Treccino in die Röstmaschine kommen und verarbeitet werden, kennen die beiden Inhaber ganz genau. Oft sogar bis auf die Parzelle genau. Aus Verbundenheit wurde ein Espresso nach dem Kaffeeproduzenten benannt: »Don Olman«. »Der Mann war ganz gerührt, als er davon erfahren hat«, berichtet mir Monika Steinig stolz.

Die Prozedur des Kaffeeaufgießens

Vor mir auf dem Tisch steht neben jedem »Cuppingschälchen« auch eine Schale mit ganz unterschiedlichen Kaffeebohnen: ganz zierliche Bohnen, Bohnen mit Fruchtfleisch der Kaffeekirsche, helle Bohnen, dunkle Bohnen … Dadurch ahne ich schon vor dem Probieren, wie unterschiedlich das jeweilige Geschmacksergebnis sein wird. Während wir über die Begriffe der Geschmacksverkostung sprechen, mahlt Monika Steinig die verschiedenen Kaffeesorten und füllt das gröbere Kaffeemehl in die Schälchen.

Monika Steinig mahlt die Probesorten.
Monika Steinig mahlt die Probesorten. © Andreas Molau, Stadt Wolfenbüttel

Beim Aufbrühen ist schon die Wassertemperatur für den Geschmack entscheidend. »Kaffee darf auf keinem Fall mit kochendem Wasser aufgegossen werden, dann wird er bitter«, klärt mich Andreas Steinig auf, während wir geduldig einen Moment abwarten. Ich stelle fest, dass Geduld und Genuss hier unbedingt zusammengehören. Dann gießen beide gleichzeitig warmes Wasser in die Schälchen und wirbelt das braune Pulver auf. Jetzt wird wieder gewartet. Ich lerne, dass sich bei etwa 50 Grad die Aromen am besten entfalteten.

Die Rösterei wird wahrgenommen

In der Zwischenzeit sprechen wir darüber, was sich in den letzten vier Jahren getan hat: »Besonders schön ist es für uns, dass wir immer mehr als Kaffeerösterei und nicht als Café wahrgenommen werden«, berichtet mir Andreas Steinig. Er hat in den letzten Jahren viele Kaffeesorten geröstet, dabei experimentiert und freut sich über die verschiedenen Ergebnisse. Dass etwas nicht funktioniert hat, war nur sehr selten der Fall gewesen. Dabei wurden auch Spezialitäten ins Programm aufgenommen, die sonst nur aus Feinkostheften bekannt sind, wie zum Beispiel »Cold Drip«. Hier wird der Kaffee Tröpfchen für Tröpfchen kalt extrahiert und ist gerade in den heißen Sommermonaten einen leckerer Genuss. Gemeinsam mit den jungen Wolfenbütteler Bierbrauern »Mad Dukes« hat das Ehepaar ein leckeres »Kaffee-Stout« – ein obergäriges Bier – entwickelt. Für jede Braucharge wird dafür von Hand Espresso zubereitet. »Ich finde es spannend, was wir mit Kaffee alles machen können«, schwärmt Andreas Steinig. Und weil zu einer leckeren Tasse Kaffee aber auch immer etwas Süßes passt, backt Monika Steinig selbst immer wieder leckeren Kuchen für ihr Café. Ihr selbst gebackener Mohnkuchen ist ein echter Klassiker.

Die Probe

Inzwischen ist die Temperatur unserer Kaffeeproben auf die gewünschten 50 Grad abgekühlt. Die Temperatur wird mit einem elektronischen Gerät gemessen, ohne die Flüssigkeit direkt zu berühren. Es erinnert mich ein bisschen an einen Laserstrahl aus der Serie »Star Wars«. Ein kurzer Ton und die Temperatur wird genau angezeigt. Vorher haben wir die verschiedenen Kaffeeproben »beschnuppert«: Erst das Kaffeemehl und dann den aufgegossenen Kaffee mit Kruste. Mit geschickten Händen und zwei Löffeln tragen die beiden Inhaber die Kaffeekruste ab und endlich geht es zum Verkosten – mit Löffeln und lautstarkem Schlürfen. Es geht dabei um die Vergrößerung der Oberfläche um die Geschmackseindrücke zu verstärken.

Es ist verblüffend, wie sehr sich die Wahrnehmung bei diesem Geschmacksexperiment verändert. Eher bitter riechendes Kaffeemehl entfaltet nach dem Aufgießen neue Aromen und schmeckt auf dem Gaumen noch einmal anders. Bei jedem Schälchen erlebe ich eine andere Entwicklung: Vom leichteren, normalen Kaffee mit den typischen Röstaromen wird es von Station zu Station immer fruchtiger. »Je länger ich Kaffee röste, umso mehr mag ich die vielfältigen Aromen«, freut sich Andreas Steinig. Während ich noch nicht ganz fertig bin, macht seine Frau Monika bereits begeistert die zweite Runde. Ich spüre die Begeisterung, mit der die beiden bei der Arbeit sind.

Die Verbindung zum Produkt

Vor Jahren waren sie selbst in Costa Rica, um zu sehen, wo der Kaffee wächst wie die Produzenten arbeiten, wie geerntet wird und wie das Produkt danach verarbeitet wird. Diese Erlebnisse haben das Ehepaar sehr geprägt. »Wir haben noch mehr Respekt vor diesem kostbaren Produkt bekommen«, sagt mir Monika Steinig. Wichtig ist den beiden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kaffeegroßhändlern. Die in Wolfenbüttel veredelten Produkte bezieht Treccino überwiegend aus den großen Überseehäfen von Hamburg oder Bremen. Darüber hinaus stöbert ein Händler in Bordeaux auch immer wieder neue Kaffeesorten und Spezialitäten auf. Neben dem ausgewählten Kaffeeangebot gibt es bei der »Treccino Rösterei« aber auch besondere Schokoladensorten, Chai, Bio-Tees und Kaffeezubehör. Jenseits der Massenproduktion finde ich hier eine Oase zum Auftanken. Zur Verabschiedung nehme ich mir vor, mich morgens daran zu erinnern, dass mein Kaffee von kreativen Menschen kommt, die unsere Stadt ein Stückchen besonderer machen.

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9 Gedanken zu “Kaffeeverkostung in der »Treccino Rösterei« …

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