Francesco Scaccianocce und Stefano Parolo setzen mit dem La Domenica im Leibnizhaus nicht nur kulinarische Akzente. Auch Nachhaltigkeit hat hier einen großen Raum.
Kulinarisch »nach Hause« kommen!
Endlich mal wieder zu Francesco. Als ich mit Denver den Termin vereinbare, ist die Vorfreude schon groß. Ins »La Domenica« im Leibnizhaus zu gehen, das ist ein bisschen wie nach Hause kommen, kulinarisch. Seit 1985 ist er in Wolfenbüttel. Damals in der Okerstraße durfte ich dort das erste Mal schwarzen Trüffel erleben.
In den vielen Jahren habe ich mich oft gefragt, was diesen Gastronomen, dessen Nachname Scaccianocce wohl die wenigsten seiner Gäste wissen oder zumindest richtig aussprechen können, immer wieder motiviert. Gerade erst drehte ich ein Interview mit ihm und dem Weinhändler Jörn Zeisbrich.
Wir lassen uns überraschen
Mit welcher Leidenschaft er dort von den Aromen der Rebsorten sprach oder darüber, welches Essen zu welchem Wein passt, das steckt mich jedes Mal aufs Neue wieder an. Zu unserem kulinarischen Erkundungstermin sind Denver und ich an diesem Sonntag im Oktober 2020 beide mit dem Fahrrad da.
Während ich etwas früher ankomme und schon einmal nach einem Platz mit den besten Lichtverhältnissen suche, überlegt Francesco, was heute Überraschung und Genuss für uns sein könnte. Die Auswahl der Grundzutaten und Rezepte, darauf legt er besonderes Augenmerk.
Nachhaltigkeit aus Respekt
»Ich finde, dass wir beim Essen wirklich viel mehr auf Nachhaltigkeit setzen sollten. Dieser Respekt gegenüber den Nahrungsmitteln ist nicht nur ethisch wichtig, die Sachen schmecken auch viel besser«, wirbt er. Denver ist inzwischen angekommen und holt gleich seine Kamera raus.
Wichtig finde ich, dass in einem Beitrag über Francesco seine tollen Bilder erwähnt werden. Besser kann man diesen Mann, der vor allem für seine Gäste lebt, kaum verstehen. »Die Planung eines Wochenmenüs ist für mich so wie der Entwurf eines Bildes«, erklärt er.
Kunst und Küche
Farben und Formen kämen zusammen und würden ein Gesamtbild ergeben. Die Kunst stand in seiner Lebensplanung sogar vor der Küche. Denn ursprünglich wollte Francesco dieses Fach studieren. Die Eltern drängten aber auf etwas »Anständiges«.
Und so verschlug es ihn in die Gastronomie. Wir sind schnell angekommen und lassen uns – das ist bei »La Domenica« das Beste – einfach überraschen. Der Begrüßungscocktail ist jedenfalls schon mal ein kulinarischer Türöffner. Leichte Bitter- und Kräuternoten öffnen die Geschmacksknospen.
Das Strahlen in den Augen
Francesco kennt seine Stammkunden und freut sich, für jeden Gast das Passende zu finden. Ob es sich um Gerhard Schröder, Thomas Gottschalk handelt, oder um jemanden, der sein erstes »richtiges« Menü bestellt, das ist für ihn nicht entscheidend. Wichtig ist Francesco dieses Strahlen in den Augen, das sich nach dem Essen einstellt.
Er verschwindet für einen Augenblick, um sich mit seinem Schwager, Partner und Koch Stefano Parolo abzustimmen, der an einer Mailänder Kochschule sein Handwerk lernte und später in Süditalien die dortige Küche studierte. Die beiden verstehen sich blind und haben trotz der vielen Jahre des Knochenjobs selbst immer noch dieses Feuer.
Arbeit und Vergnügen
»Das hier ist nicht Arbeit für mich«, erklärt Francesco auf die Frage, wie er diese langen Abende durchhalten würde. Seine erste Station war hinter der Theke eines Verwandten in Sizilien. Schon früh zieht es ihn aber aus der Heimat weg. In einer Kochschule lernt er selbst das Handwerk von der Pike auf.
Zuerst verschlägt es ihn nach Barcelona, dann nach Braunschweig, ein Jahr arbeitet und lernt er in Paris, bevor es wieder zurück nach Niedersachsen und schließlich in die Lessingstadt geht. Während wir in Erinnerungen schwelgen, kündigt sich schon die erste Vorspeisenplatte an.
Die Vorspeise
Egal ob gemischt – wir wollen uns ja heute einen Überblick verschaffen – oder einzelne Antipasti: Die Einstimmung auf das Essen ist im La Domenica Hauptanliegen. Es gibt keine Sattmacher, sondern Appetithäppchen. Auf unserem Teller versammelt sich Stefanos Repertoire. Oder wenigstens ein Teil davon.
Es gibt viele Meeresfrüchte, delikat zubereitet – Schwertfisch-Carpaccio oder Barschfilet. Dann werden kleine sizilianische Spezialitäten serviert, Zucchini mit Ei, gratinierten Scamorza und natürlich auch cremig weicher frischer Mozzarella sowie solche Klassiker wie Vitello Tonnato – nicht in Sauce ertränkt.
Woher kommt der Wein?
Dazu ein Wein, der so ist, als würde er genau für diesen Gang hergestellt worden sein. Das ist sowieso ein Geheimnis von Francesco, der nebenbei ja auch noch ausgebildeter Sommelier ist und Weinseminare gibt. Wie ist es möglich, immer wieder neue Tropfen ausfindig zu machen?
»Natürlich besuche ich die gängigen Weinmessen, aber in den Jahren habe ich auch einige Spitzenwinzer direkt kennenlernen dürfen. Und die Vielfalt des Weines ist so ungeheuer groß, dass man dafür mehr als ein Leben braucht«, lacht er. Nach den Vorspeisen folgen Linguine mit frisch gehobelten schwarzen Trüffeln.
»Ohs« und »Ahs«
Natürlich hätten wir beim ersten Weißwein bleiben können, der uns schon super schmeckt. Aber der zweite Streich ist genau das, was diese Mischung aus Olivenöl, Kräuternoten und Trüffel so unglaublich gut ergänzt. Zu jedem Gang und Wein gibt es ausführliche Informationen über das, was da auf den Teller und ins Glas kommt.
Denver lacht: »Diesmal sind es vor allem ›Ohs‹ und ›Ahs‹, die das Essen begleiten.« Natürlich geht es auch um Alltägliches. Aber weniger als sonst. Der Abend dreht sich um Essen und Wein. Das resultiert aus dem besonderen Geschmack, aber eben genauso durch die Moderation durch Francesco und sein Team.
Der Hauptgang
Als Hauptspeise kommt ein T-Bone-Steak vom Bio-Rind. Francesco tranchiert es am Tisch, während seine Mitarbeiter schon die leckeren Saucen anrichten, ein Häufchen von auf Algen getrocknetem Salz und etwas Gemüse. Den Roten zum Essen »dürfen« wir erstmal nicht probieren.
»Er braucht Zeit. Aber ihr könnt ihn schon mal durch die Nase kennenlernen«, vertröstet er uns. Auch die Hauptspeise ist ein Gedicht. Das Fleisch zart, die Rosmarinnoten der Sauce passen perfekt zum Steak und Gemüse, ebenso wie ein weißer Schaum.
Das süße Finale
Fast am eindrucksvollsten ist dieses Salz, das durch die Textur leicht cruncht und dessen feiner Geschmack die Aromen des Rindfleisches hebt. Der Rotwein mit seinen fein schokoladigen Noten passt wunderbar. Die »Ahs« und »Ohs« bestimmen das Gespräch.
Beim Finale zeigt Stefano wieder, was alles möglich ist. Die gemischte Nachspeisenplatte wird brüderlich und respektvoll aufgeteilt. Von jedem Happen gibt es zwei. Und selbst ein Stück »gemeines« Tiramisu wird zum neuen Geschmackserlebnis.
Grappa oder nicht Grappa
Denvers gespaltenes Verhältnis zum Grappa müssen wir heute Abend bereinigen. Francesco wählt etwas Mildes aus. Nicht beim ersten Schluck, aber beim zweiten und dritten tritt Entspannung auf der Zunge ein. Denn natürlich gibt Francesco eine Anleitung, wie der Tropen am besten zu genießen ist.
Und wir sind uns einig, dass wir weiter üben und entdecken wollen, was es in der italienischen Küche an Aromen gibt und was bei Weinen oder Grappe. Francesco hat bei der Verabschiedung gleich etwas Motivation für uns. Ein Gast habe ihn auf eine Idee gebracht.
Die Aussichten …
»Eine toskanische Fischsuppe werden wir ins Programm aufnehmen«, schwärmt er. Die sei zwar etwas aufwändig und werde deshalb in der Gastronomie nicht so gern gekocht. Aber schon jetzt freuen sich Stefano und Francesco auf den Duft des köchelnden Suds und den Geschmack des fertigen Produkts.
Denn die ersten Testesser sind natürlich sie und das Team. Und er freut sich auf das Leuchten in den Augen seiner Gäste. Wir haben uns zwar nicht mit einem Selfie verabschiedet. Aber ich nehme an, Denver und ich sind mit diesem besonderen Dankeschön an diese großartige Küche in die Herbstnacht nach Hause geradelt.
Weitere Informationen über das Restaurant La Domenica
- Adresse: Schlossplatz 5, 38304 Wolfenbüttel
- Telefon: 05331 5953
- eMail: info@ladomenica.de
- Internetseite vom La Domenica.