Die »Kornblume« liegt auf der Breiten Herzog Straße im Herzen der Altstadt. Ein kleiner Laden mit großer Auswahl. Michael Beck hat seinen Laden zu einem Treffpunkt gemacht, an dem die Welt gerechter und besser ist.
Die »Kornblume« ist das erste Geschäft, das ich mit »Naturkost« in Verbindung bringe. In den 80er Jahren hatte Bio noch einen anderen Ruf als heute und spaltete mehr, als es versöhnte. Wer zur »Kornblume« ging war ein »Öko« – doch das hat sich geändert.
Versöhnen ist das, was Michael Beck eigentlich immer wollte. Ich treffe mich mit dem dritten Inhaber des Naturkostladens, bei dem ich früher das Korn zum Mahlen und Backen holte und sogar »Mondwasser« zum Trinken entdeckte.
Michael Beck ist gefühlt ein »50er« – Brille, Ohrstecker, kurze, schwarze Haare, freundlich. Wir treffen uns in seinem Laden auf der Breiten Herzog Straße 18a.
Das Geschäft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und wirkt auf mich heller und moderner. Am Eingang gibt es Naturkosmetik. Danach wird auf der einen Seite Obst und Gemüse angeboten – auf der anderen Seite Brot und Käse. Im hinteren Bereich stehen Molkereiprodukte hinter modernen Kühltheken mit Glasschiebetür. Anschließend werden Gewürze, Müslis, Wein, Bier, Nudeln und Marmeladen in hellen Regalen präsentiert.
Kurz: In der »Kornblume« gibt es alles. Rund 2.000 Produkte sind das, wie ich später erfahre. Michael Beck übergibt den Dienst an seine Kollegin und wir machen uns auf den Weg in das nahe gelegene afrikanische Café Bantaba am Herzogtor.
Obwohl es draußen ziemlich warm ist, sind die Temperaturen drinnen angenehm. Die Türen sind weit geöffnet, die Atmosphäre ist locker und gelöst.
Von der Polizei zur Naturkost
Und während wir uns Tee bestellen, beginnt Michael Beck ruhig und konzentriert zu erzählen. 1981 wurde die Kornblume gegründet und ist damit eines der ältesten Naturkostläden in Deutschland überhaupt. Für ihn ist sie nicht nur Geschäft, sondern auch eine Idee und ein Auftrag.
Michael Beck ist der Dritte Inhaber der »Kornblume« und jetzt bereits seit 16 Jahren dabei. Seine berufliche Karriere hat Michael Beck als Polizist begonnen. »Bundeswehr kam für mich damals nicht in Frage. Aber für Sicherheit zu sorgen, damit konnte ich mich identifizieren«, erinnert er sich.
Es war die Zeit der Anti-Atomkraftbewegung. Er musste erleben, dass die Exekutive des Staates aus seiner Sicht auch dazu benutzt wurde, eine Technologie zu ermöglichen, die er damals nicht wollte und die inzwischen, darüber freut er sich heute besonders, allgemein abgelehnt wird. Das sei ein wirklich schöner Erfolg des Engagements, findet er.
Der Weg nach Braunschweig
Also suchte sich der junge Polizist neue Wege. Er studierte Psychologie, aber wollte schließlich doch etwas Praktisches machen. Es gebe natürlich kein absolut richtiges Leben, meint er heute, aber er habe sich immer darum bemüht, ein bisschen besser zu leben.
Er bewarb sich also bei Projekten, die ökologisch orientiert waren. Und so verschlug es ihn zunächst zum Brotladen nach Braunschweig. »Ich wurde dort als Bäcker angelernt und habe das erstmal 1 ½ Jahre gemacht«, erinnert er sich.
Auf meine Frage, ob ihm das frühe Aufstehen in dieser Zeit leicht gefallen sei, lacht er verschmitzt: »Wir haben damals erst halb sechs angefangen, weil wir die ganze Welt verändern wollten.« Dazu gehörte auch ein neues Zeitmanagement der Bäcker. Gutes Vollkornbrot brauche Zeit zum Reifen, erklärt er. Deshalb sollte es auch mehr Zeit bekommen. Spätere Anfangszeiten waren so kein Problem.
Nach dieser Zeit als Bäcker übernahm er mit einer Kollegin eine Filiale des Brotladens und wandelte sie zur Konditorei um. Damit erarbeitete er sich ein neues Tätigkeitsfeld und lernte, Torten zu machen. »Noch heute gibt es Kunden, die nach unserer Zitronenrolle fragen, weil sie ihnen so gut geschmeckt hat«, erzählt er.
Die »Kornblume« ist ein sozialer Ort
Die Konditorei sei aber in dieser Zeit einfach nicht möglich gewesen. »Die Kunden waren nicht bereit, für diese Produkte auch mehr zu zahlen«, gibt er sich selbstkritisch.
Michael Beck beschreibt die Dinge ohne Eifer und Groll, ganz ruhig und sachlich, aber trotzdem mit viel Einfühlungsvermögen. Auf das Geschäft in Wolfenbüttel wurde er von der Vorbesitzerin angesprochen. »Wir haben uns zum Erfahrungsaustausch getroffen und da kam die Vorbesitzerin auf mich zu, weil wir einen ähnlichen Geschäftsstil haben«, erzählt er mir.
Wichtig für ihn ist, dass die »Kornblume« nicht nur ein Geschäft zum Geld verdienen sei. »Es geht mir in erster Linie um die Menschen«, erklärt er mir seine Motivation. Das bedeutet: Der kleine Laden soll ein sozialer Ort sein, an dem die Menschen sich austauschen können.
»Ich interessiere mich für meine Kunden und es gibt immer gute Gespräche«, sagt er. Das geht oft auch über das Geschäftliche hinaus. Zum Beispiel trifft sich Michael Beck mit seinen Kunden zu einem Philosophiekreis.
Gutes Bio – schlechtes Bio
Ich möchte wissen, ob sich seine Ideale verändert haben. Früher wollte er vor allem regional und saisonal anbieten. Heute gibt es natürlich auch internationale Produkte in der »Kornblume«.
Er sinniert einen Augenblick und meint dann: »Meine Ideale haben sich nicht verändert. Aber ich bin zufriedener mit dem, was ich tue. Ich stehe voll und ganz hinter dem, was ich mache.«
Michael Beck unterscheidet zwischen EU-Bio und Verbands-Bio. Wenn er internationale Produkte in der »Kornblume« anbietet, dann achtet er beim Einkauf darauf, dass die Arbeitsbedingungen vor Ort auch gut sind. Bietet er heimische Produkte an, dann versucht er möglichst auf regionale Anbieter zurückzugreifen – wir den Lindenhof, das Klostergut Heiningen oder Bio-Bäckereien wie Sartorius.
Dass der Bio-Bereich über die EU-Gesetzgebung aufgeweicht wurde, ärgert Michael Beck. Wobei ich den Ärger nicht wirklich spüre. Seinen freundlichen Humor verliert er auch bei diesen Themen nicht.
Beispielsweise versteht er nicht, warum ein Betrieb zur Hälfte Glyphosat und anderen Chemie spritzen darf und trotzdem ein Öko-Label bekommt. Anstatt sich aber darüber lange zu ärgern, gestaltet er seinen Lebensraum lieber nach seinen eigenen Vorstellungen.
Als Mensch akzeptiert werden
»Wir müssen menschlich miteinander umgehen. Wir haben alle die Berechtigung, hier zu leben, egal welche Hautfarbe wir haben, welchen Ideen wir nachhängen oder welche Religion wird haben. Wir haben alle das Recht uns zu verwirklichen ohne andere einzuschränken. Wir haben das Recht auf ein gutes soziales Umfeld. Wir müssen als Mensch akzeptiert werden und brauchen auch eine materielle Sicherheit«, fasst er seine Überzeugung zusammen.
Natürlich ginge es dabei nicht nur um Geld, räumt Michael Beck ein. »Ich sehe oft, dass Menschen in ärmeren Regionen viel glücklicher sind«, gibt er zu bedenken. Aber Gerechtigkeit sei ein hohes Gut. Und die könne er in seinem Laden leben und damit ein Stück seines Lebenstraums verwirklichen.
Den Bio-Trend in Supermärkten sieht er kritisch. Er räumt ein, dass die größere Akzeptanz durch die Verbreitung gut ist. Aber die Kommerzialisierung sorgt für eine Marktkonzentration und nimmt damit negativen Einfluss auf das Wirtschaften.
»Kornblume« als Nahversorger
Dagegen steht die »Kornblume« als Nahversorger. Michael Beck freut sich über Kunden ganz unterschiedlichen Alters. Dass er nicht jeden erreicht, ist ihm klar. Aber darüber macht er sich keine Sorgen. »Ich sehe einen langsamen Bewusstseinswandel. Immer mehr Menschen entdecken, was gut für sie ist und leben auch so«, meint er.
Und natürlich habe diese Art zu wirtschaften nicht nur etwas mit Ideen und guten Vorsätzen zu tun. »Das Leben muss Spaß machen«, lacht Michael Beck und erzählt von seinen neuesten Rezepte, die er immer wieder gern mit seinen Kunden austauscht. »Essen muss in erster Linie schmecken und glücklich machen. Wer sich nur aus Pflichtbewusstsein gesund ernährt, sollte lieber konventionell bleiben«, meint er augenzwinkernd.
Genau diese Lebensqualität soll die »Kornblume« haben. Sein Geschäft eignet sich zwar nicht unbedingt für Großeinkäufe. »Aber wer sich ein paar Kästen mitnehmen will oder für das Wochenende einkauft, kann direkt in der Toreinfahrt parken«, rät er.
Ein schöner Laden
Unser Gespräch ist kurz und reichhaltig. Wir gehen zurück in den Laden und verabreden uns für einen Fototermin. Ich nehme gleich noch eine Biozitrone für mein nächstes Lemon Curd mit und freue mich über den regen Gedankenaustausch und die vielen schönen Sachen, die es hier gibt.
Es stimmt wohl. Die Welt kann jeder Einzelne nicht verändern. Aber ist das ein Grund, das kleine Stück, was ich selbst beeinflussen kann, nicht so gut wie möglich zu gestalten? Die »Kornblume« ist ein Geschäft, bei dem ich auch beim Einkaufen solche Dinge noch einmal ganz neu und wieder von vorn denken mag.
Weitere Informationen zu »Kornblume Naturkost Ihr Regionalwarenladen«
- Adresse: Breite Herzogstraße 18a, 38300 Wolfenbüttel
- Telefon: 05331 2388
- eMail: mbeck_bs@hotmail.com
- Facebook: facebook.com/KornblumeWolfenbuettel/
- Öffnungszeiten auf http://bs.cyty.com/kornblume/
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