Ein untrennbares Duo: Julius Elster und Hans Geitel

Hättet ihr gewusst, dass es mal fast zwei Physik-Nobelpreisträger aus Wolfenbüttel gegeben hätte? Ich lange Zeit ehrlich gesagt auch nicht. Also lest weiter, wenn ihr wissen möchtet, welch kluge Köpfe in der Lessingstadt unterwegs waren. Und keine Sorge, ich versuche mich mit wissenschaftlichen Abhandlungen kurz zu halten.

Aber zuerst sollte ich euch verraten, um wen es hier gehen soll. Die beiden Herren waren Hans Friedrich Geitel und Dr. Julius Johann Phillipp Ludwig Elster und forschten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem im Gebiet der Physik. Ihnen haben wir einige wichtige Entdeckungen zu verdanken, wie die Photozelle. Ohne die Erfindung der Photozelle würden wir Filme heute vielleicht immer noch ohne Ton gucken. Sie forschten im Bereich der Radioaktivität und atmosphärischen Elektrizität. Was das genau bedeutet, erkläre ich euch in den folgenden Absätzen.

Die Photozelle während der Ausstellung „Made in Wolfenbüttel“ (2021) im Schloss Museum.

Geiteljahr 2023

Und warum komme ich gerade jetzt darauf? Weil Hans Geitel am 15. August 1923 verstarb, also vor genau 100 Jahren. Deswegen ehrt ihn auch der Kulturstadtverein mit einem Themenjahr. Wenn euch das Thema nachdem ihr meinen Blogbeitrag gelesen habt, noch weiter interessiert, schaut hier mal in deren Programm.

Es gibt Fachvorträge und Führungen, wie zum Beispiel am 26.8.23 und 23.9.23 eine Führung mit der Historikerin und Stadtführerin Andrea Kienitz. Sie trägt den Titel „Julius Elster und Hans Geitel oder die Liebe zur Physik“.

Wer waren Elster und Geitel?

Ein braunes Backsteingebäude
Im Gymnasium „Große Schule“ unterrichteten Elster und Geitel als Lehrer. © Luisa Drews

Das besondere an Elster und Geitel ist, dass man, wenn man den Einen nennt, nicht drumherum kommt, auch den Anderen zu erwähnen. Was mich bei meiner Recherche sehr beeindruckt hat, ist die lebenslange, unzertrennliche Freundschaft. Sie lernten sich in Blankenburg als Nachbarskinder und Klassenkameraden kennen, freundeten sich an und entdeckten gemeinsame Interessen. Auch für das Physikstudium in Heidelberg und Berlin entschieden sie sich gemeinsam. Danach folgte eine kurze und vermutlich die einzige Unterbrechung des gemeinsamen Lebenswegs. Hans Geitel wurde vom Wolfenbütteler Gymnasium Große Schule als Physiklehrer eingestellt. Julius Elster fand in Blankenburg eine Anstellung. Wie wichtig den Beiden aber ihre Freundschaft und gemeinsame Forschung war, sieht man aber daran, wie sie Julius Elster mithilfe eines kleinen Tricks trotzdem nach Wolfenbüttel bringen konnten. Das Gymnasium brauchte zu der Zeit keinen weiteren Physiklehrer, aber dringend einen Englischlehrer. Mutmaßlich überzeugte Geitel einen Kollegen, sich zu weigern Englischunterricht zu geben und Elster konnte als Lehrkraft für Englisch seinen Dienst in der Lessingstadt antreten.

So begann eine Ära, die zu insgesamt sieben Nobelpreis-Nominierungen führte. Gewonnen haben sie leider keinen davon.

Und woran haben sie nun genau geforscht?

Damit ich das besser verstehe, besuche ich einen Vortrag von Stadtheimatpfleger Rudolf Fricke. Mit großer Begeisterung hält er das Andenken an die beiden Physiker wach. Er ist im Gärtnermuseum zu Gast und möchte einen „Überflug“ über das wissenschaftliche Wirken von Julius Elster und Hans Geitel geben.

Der Vortragsraum im Museum ist gut gefüllt mit Menschen, die den Ausführungen von Herrn Fricke interessiert zuhören. Er eröffnet den Vortrag mit den Worten: „Ich freue mich immer, wenn ich über meine beiden Lieblinge erzählen darf.“ Und das merkt man. Rudolf Fricke ist Physiklehrer im Ruhestand, kennt sich also bestens aus.

Im Laufe des Vortrags lichten sich meine Fragezeichen, was die Forschungsarbeit von Elster und Geitel betrifft. Ich versuche es, kurz für euch zusammenzufassen. Physikprofis sehen es mir bitte nach, wenn ich das nur verkürzt darstelle.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse von Elster und Geitel:

Früh in ihrer Laufbahn forschten sie zur Elektrizitätsleitung in Gasen und im Vakuum. Das schuf die Grundlage für Glühkathoden mit denen später Verstärkerröhrenradios gebaut wurden.

Elster und Geitel beschäftigten sich auch mit dem Gebiet der Atmosphärischen Elektrizität. Sie vollzogen also nach, wie Gewitterwolken entstehen. Dafür zettelten sie sogar luftelektrische Messungen rund um den Globus an.

Photozelle

Eine der berühmtesten Erfindungen von Elster und Geitel ist die Photozelle. Einfach gesagt, ist eine Photozelle eine Apparatur, bei der Strom fließt, wenn Licht darauf fällt. Das klingt erstmal simpel, eröffnet aber vor über 100 Jahren neue Möglichkeiten. Ein Beispiel hat Herr Fricke zum Vortrag mitgebracht.

Im Bereich der schwarzen Streifen wird der Ton gespeichert.© Luisa Drews

Als ich ankam, lagen auf allen Plätzen kleine Filmstreifen. Was wir darauf erkennen, fragt er. Die Auflösung liegt nicht in den Bildern, sondern in den kleinen schwarzen Streifen. Das ist die Tonspur der analogen Filme, und die konnte über die Photozellen-Technik abgetastet werden. Also kein Tonfilm ohne Photozelle.

Die Technik fand außerdem Anwendung in Lichtschranken und im Bereich der Astronomie konnte man endlich die Helligkeit von Sternen objektiv bestimmen.

Rudolf Fricke hat sich Photozellen nach dem Vorbild der Physiker nachbauen lassen, die wir sogar aus der Nähe betrachten dürfen.

Rudolf Fricke präsentiert die Photozelle © Luisa Drews

Als wäre das nicht schon genug der bahnbrechenden Erfindungen, forschten sie auch im Gebiet der Radioaktivität. Im Keller der alten Kanzlei zum Beispiel spannten sie meterlange Drähte, die unter hohe Spannung setzten. Anschließend wischten sie diese mit einem Lederlappen ab, in dem sie dann eine hohe Konzentration von Radon aus der Umgebungsluft nachweisen konnten. 

Im Keller der Kanzlei betrieben Elster und Geitel Experimente zur Radioaktivität. © Christian Bierwagen

Das Gärtnermuseum plant weitere Vorträge zu verschiedenen Themen. Als nächstes berichtet Historiker Sebastian Mönnich über die Biersteuer bei den Herzögen am 8.9.23. Schaut also auf der Webseite des Gärtnermuseums nach den aktuellen Terminen.

Schaffensort Wolfenbüttel

Wolfenbüttel als Lebens- und Arbeitsort sind sie bis zu ihrem Lebensende treu geblieben. Ihre Grabmale befinden sich auf dem Hauptfriedhof.

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Aber noch weitere Orte haben eine Verbindung zu dem Physikerduo.

Das Prinzenpalais in der Reichsstraße ist einer davon. Heute richtet darin zum Beispiel der Verein Tonart e.V. Konzerte aus. Ich konnte den Saal auch schon mal im Rahmen der letzten Kulturnacht besuchen. Die nächste Kulturnacht könnt ihr euch schon mal für den 16.9.23 vormerken. Das Besondere an dem Saal ist, dass er immer noch im gleichen Zustand ist, wie 1886 zur Hochzeit von Julius Elster mit Emilie Fink. Emilie Fink stammte aus einer Bankiersfamilie, der damals auch das Prinzenpalais in der Reichsstraße gehörte und brachte Geld mit in die Ehe, wovon auch die Forschungen profitierten.

Gleich nach der Hochzeit zog das frischvermählte Paar in eine Villa in der Lessingstraße. Aber nicht allein. Hans Geitel bezog eine Wohnung im ersten Stock und im Keller wurde ein Labor eingerichtet. Hier fanden einige der wesentlichen Entdeckungen statt.

In diese Villa zog das Ehepaar Elster und Hans Geitel nach der Hochzeit. © Luisa Drews

Warum die Beiden Wolfenbüttel treu geblieben sind, obwohl sie Angebote von renommierten Universitäten und internationale Kontakte in der Wissenschaftswelt hatten? Rudolf Fricke erklärt es mit einem optimalen Umfeld für ihre Forschungen in Braunschweig und Umgebung: Die Technische Universität, der Braunschweiger Verein für Naturwissenschaft (von 1862 bis 1944), befreundete Professoren und Instrumentenbauer.

Wolfenbütteler Persönlichkeiten

Wolfenbüttel ist Lessingstadt und nennt sich selbst stolz so. Mir zeigt aber das Themenjahr noch mal, dass in Wolfenbüttel noch mehr viel mehr Menschen gelebt und gewirkt haben. Die beiden Physiker sind ein Beispiel für Forscher- und Erfindergeist und den Wert von guter Zusammenarbeit.

Verratet mir mal: Waren euch die Physiker ein Begriff?

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