Heute Abend treffe ich mich mit Denver bei Giovanni auf der Harzstraße. Seit 15 Jahren kocht der Chef selbst in diesem italienischen Kultrestaurant.

Ziel der Sehnsucht
Wanderer, wenn Du zu Giovanni kommst, kannst Du Deine müden Glieder ausstrecken. Wenn es Dich hungert und Du Sehnsucht nach dem Süden hast, dann bist Du bei dem freundlichen Mann aus der Harzstraße in Wolfenbüttel richtig.
Du gehst durch eine Glastür, ein paar Stufen hinauf und besteigst ein kulinarisches Schiff, auf dem es nur Plätze auf dem Oberdeck gibt. Dich empfangen weiß gestärkte Tischdecken, drapierte Stoffservietten, Teller, Weingläser, Besteck und liebevoll arrangierte Deko.

»Buongiorno«
Wenn Du am Tresen der Bar stehst und durch die Tür in die Küche schaust – die Tür ist stets offen – kannst Du ihn bestimmt sehen. Er steht am Herd, vielleicht blitzt gerade eine Flamme hoch oder eine Duftschwade wallt nach oben und wird von der Abzugshaube verschluckt.
Und wenn es geht, dann lässt Giovanni seine Küchenschlacht einen Augenblick ruhen und eilt mit seinem Piratentuch auf dem Kopf in den Gastraum, lächelnd, fast ein bisschen verschmitzt, um Dich mit einem fröhlichen »Buongiorno« zu begrüßen.

Dort, wo Wolfenbüttel am schönsten ist
Bei Giovanni hast Du einen Namen. Du bist keine Nummer, so wie die Gerichte, die der Mann aus Apulien jeden Abend auf den Teller zaubert, die nicht nur Zahlen sind, sondern schon wie eine Verheißung klingen. »Polpette, Braciole, Ossum buco …«
So geht es uns an diesem Tag, an dem ich mich mit Denver vor dem Lokal treffen. Er streicht ums Haus und sucht nach passenden Blickwinkeln in der Dämmerung. Hier, hinter der Hauptkirche, wo Wolfenbüttel vielleicht am schönsten ist.

Für die Gäste da sein
Wir sind extra etwas früher gekommen. Giovanni ist nicht nur Namensgeber seines Restaurants, nicht nur Gastgeber, sondern auch Koch. Wie er das schafft, möchte ich wissen, während wir uns hingesetzt haben und bereits ein Prosecco im Glas perlt.
»Das ist für mich so wichtig, dieser persönliche Kontakt mit den Gästen«, lächelt er. Giovanni erzählt nicht, er schmunzelt die Worte. Er muss vor 34 Jahren die Sonne Apuliens mitgenommen haben. Denn mit 15 Jahren habe es ihn nach Deutschland gezogen.

Vom Pizzabäcker zum Koch
Mit 15 Jahren – ich frage ihn, woher er den Mut genommen habe, ganz ohne Deutschkenntnisse in diesem Alter in ein fremdes Land zu gehen. »Es gab Leute aus meiner Heimat, zu denen ich kommen konnte, und ich war neugierig«, erinnert er sich.
Als Pizzabäcker fing er in Braunschweig von der Pike auf an, das Kochhandwerk zu lernen. Später schaute er den Köchen über die Schulter. Besonders an Mauricio erinnert sich Giovanni gern. »Bei dem habe ich viel gelernt«, verrät er und verschwindet in die Küche.
Leben bei Giovanni
Nicht ohne dafür gesorgt zu haben, dass ich einen leckeren Pinot Grigio bekomme. Denver bleibt heute beim Bier. Und wir haben unser kulinarisches Schicksal ganz in die Hände des Chefs gegeben, der uns einen genussreichen Abend verspricht. Wir schauen uns im Lokal um.
Denver fotografiert, ich notiere. Der Gastraum füllt sich langsam. Immer wieder kommen Gruppen bis zum Tresen, werden von Giovanni begrüßt, der seine Arbeit kurz unterbricht. Dann gibt es diejenigen, die sich einfach nur eine Rutsche Pizza abholen.

Warten aufs Essen
Sie stehen entspannt vor der Küche, trinken einen Prosecco und unterhalten sich mit den Servicekräften, die zwischen Küche und Gast hin- und herwuseln. Ein Wartebrot verkürzt die Zeit. Die Aioli-Creme versüßt sie. Wir überlegen uns, was da wohl kommen mag.
Ich habe es schon einmal geschrieben. Aber es ist so wichtig, dass es die Wiederholung verzeiht. Die Zeit vor dem Essen ist so wunderbar. Wir kommen an, genießen den Raum, lassen uns auf den Gesprächspartner ein. Erst dann sind wir bereit für das, was da kommt.

Schöne Teller
Giovanni kocht nicht nur ausgezeichnet. Er hat auch ein Händchen für Ästhetik. Die gemischten Vorspeisen sind eine Augenweide, und es fällt schwer, nicht sofort darüber herzufallen. Pilze, ein bisschen Tomate mit Mozzarella, Vitello Tonato, Lachs, eine Garnele,…
Hier könnte man schon verweilen. Und hier verweilen wir ausgiebig. Essen, erzählen – die Familie, Urlaube, Kochrezepte … Wir sind uns schnell einig: Mit derlei allein würden wir einen kulinarischen Abend verbringen. Die kleinen Häppchen sind so geschmacksreich, dass wir Zeit zum Erkunden brauchten.

Himmlische Trüffelpasta
Nach der Vorspeise ist die Laune bereits gestiegen. Der Gastraum füllt sich weiter und wir harren der Pasta, die da kommen soll. Denver darf mit dem Fotoapparat in der Küche begutachten, was folgt. Ich spüre der Vorspeise nach, mit einem Glas Wein.
Der zweite Gang sollte bei einem Italiener Pasta sein. Wir bekommen eine wunderbare Pasta. Mit einem Schuss Sahne, die Trüffel darüber sind himmlisch. »Ich passe mich in einigen Punkten an meine deutschen Freunde an«, so Giovanni nach dem Gang, als er sich wieder an den Tisch setzt.

Koch aus Liebe
»In meiner Heimat wird nicht mit Sahne gekocht. Aber die Deutschen mögen das, und es schmeckt wirklich gut«, gibt er zu. Klar, manchmal gebe es die originale Küche aus der apulischen Heimat, Polpette oder Braciole. Aber Giovanni liebt zu sehr das Kochen, um sich zu beschränken.
Er gehe selbst gern essen, und hole sich von überallher die Anregungen. »Ich liebe meinen Beruf einfach. Das Kochen und alles, was an Vor- und Nachbereitung so anfällt, das mache ich gern«, meint er. 17 Jahre ist er nun schon in Wolfenbüttel selbstständig.

Vom Pizzabäcker zum Koch
Mit seiner rechten Hand in der Küche und dem Pizzabäcker arbeitet Giovanni seit dem ersten Tag zusammen. Fast genauso lange kennt er manche Stammgäste, die er in sein Herz und die ihn in ihr Herz geschlossen haben. Zu Giovanni geht man nicht nur essen.
Der bescheidene Familienvater ist ein echtes Arbeitstier und rauscht also wieder in die Küche ab. Nicht ohne uns vorher verraten zu haben, dass er als Jugendlicher Leichtathletik geliebt habe. Bis in die nationale Jugendmannschaft habe er es geschafft.

Ein kulinarisches Traumduo
Mit dem Hauptgang – Seezunge mit Spinat in einer leichten Salbeisauce – kommt ein Luganer. Die beiden Komponenten passen so gut zusammen, als hätte der liebe Gott sie füreinander geschaffen. Denver und ich genießen und schweigen ausnahmsweise mal. Es ist köstlich.
Fast ein bisschen wehmütig sind wir vor dem Dessert, dessen Kreierung Denver in der Küche wieder erleben darf. Es ist erneut ein Kunstwerk, ein Parfait, eine Creme von Pistazien, dazu ein Pistazienlikör und Obst. Das Leben kann so schön sein.

Glänzende Augen zum Abschied
Bei Grappa und Espresso haben wir schon glänzende Augen – nicht nur wegen des Alkohols. Gutes Essen macht glücklich. Das weiß Giovanni und lächelt uns schelmisch an bei der Verabschiedung. Die ist so herzlich wie die Begrüßung. Denn wir wissen, dass wir uns wieder sehen werden.








Weitere Informationen über Da Giovanni
Adresse: Harzstraße 20, 38300 Wolfenbüttel
Telefon: 05331 – 903490
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