Das Wan Bao ist schon so lange in Wolfenbüttel, dass es zur kulinarischen Welt unserer Stadt einfach dazu gehört. Seit 1988 werden unter der Leitung des Küchenchefs, Ming Guang Xu, in der Komißstraße 9 A chinesische Spezialitäten serviert.
Während ich am Tisch sitze und auf Denver und Tanny warte, muss ich an einen Werbespruch denken: »Die haben Mütter schon von ihren Müttern bekommen.« Denn am Nachbartisch sitzt eine junge Familie.
Schon als Kind von der Küche des Wan Bao fasziniert
Und ich erfahre in einem kurzen Gespräch, dass auch diese Eltern tatsächlich mit ihren Eltern hierherkamen. »Diese vielen Schüsselchen und Schälchen«, verrät mir der Vater, »haben mich schon als Kind fasziniert.«
Immer wieder huscht das freundliche Servicepersonal durch den Gastraum. Dieser ist reichhaltig dekoriert mit alldem, was ich mir unter diesem fernen Land der Mitte so vorstelle. Drachen, farbenfrohe Ornamentik und das typische Aquarium im Eingang.
In Vorfeude, was uns heute serviert wird
Das darf wohl in keinem China-Restaurant fehlen. Seit ich die schönen Kochvideos von Liziqi kenne, einem chinesischen Youtubestar mit 17 Millionen Abonnenten, bin ich von dieser fremden Küche fasziniert.
Auch Tanny und Denver sind in Vorfreude auf das, was uns heute serviert wird. Die beiden sind hier öfter und Denver ist sich auf jeden Fall sicher, dass er diesmal etwas anderes nimmt als sein »übliches« Ente in Orangensauce.
Der Chef steht selbst in der Küche des Wan Bao
Tanny ist noch ganz offen und ich schiele – auch wenn es ein echtes Klischee ist – auf die Pekingente. Die, erzählt mir Xin Wei Xu, müsse man schon vorbestellen. Denn der Klassiker sei doch sehr aufwendig in der Zubereitung.
Xin Wei Xu, das ist der Sohn von Ming Guang Xu. Er ist das Familienoberhaupt, das seit der Gründung des Restaurants in der Küche steht und die Speisen zubereitet. Schon 1975 kam er nach Deutschland.
Authentizität bei der Zubereitung der Speisen
Bereits in China, aus dem in dieser Zeit aus Armut viele Menschen auswanderten, war er dort als Küchenchef tätig. Xin Wei, sein Sohn, lebt seit seinem 8. Lebensjahr in Deutschland und fühlt sich hier sehr wohl.
»Besonders für meine Kinder ist Wolfenbüttel zur Heimatstadt geworden«, erzählt er nachdenklich. Trotzdem sei ihm die Verbindung zur Heimat noch immer sehr wichtig. In der Küche lege der Vater großen Wert auf Authentizität.
Gutes Essen braucht Zeit
Sowohl die Zubereitungsweise als auch besondere Gewürze, werden von dem Restaurant direkt aus der Heimat bezogen. »Gerade beim Grillen der Pekingente zeigt sich, wie wichtig die richtige Art zu grillen ist«, ergänzt Xin Wei Xu.
Der sitzt mit seinem weißen Hemd und einer schmalen Fliege lächelnd an unserem Tisch und berichtet über die Geschichte des Restaurants, das Besondere der Arbeit und das Leben in Deutschland.
Es wird gewählt
»Die Grillspezialitäten brauchen vor allem viel Zeit. Daran wollen wir trotz der aktuellen Krise nicht sparen.«, bekräftigt er. Denn das Wohl seiner Gäste lägen seinem Vater und ihm sowie der ganzen Familie am Herzen.
Bei allen Vorgesprächen und Optionen müssen wir doch irgendwann wählen. Tanny Hähnchen à la Canton. Canton ist der englische Name für Guangzhou, einer südchinesischen Stadt.
Zuerst kommt die Vorspeise
Bei diesem Gericht wird das Hähnchenbrustfilet in Teig ausgebacken. Denver nimmt Ente und Großgarnelen – die Ente ist in diesem Gericht nicht, wie sonst häufig geröstet. Und ich nehme die Ente nach Art der Peking Ente.
Zur Begrüßung hatte es schon eine Art Pflaumenlikör gegeben und wir laben uns in der Wartezeit an einem Tsing-Tao-Bier. Nach unserer Bestellung fragt die freundliche Kellnerin, ob wir nicht doch auch eine Vorspeise haben wollen.
Zeit zum Genießen
Obwohl wir schon wissen, dass die Portionen im Wan Bao nicht eben klein sind, schlagen wir zu. Denver nimmt eine Wan-Tan-Suppe, Tanny und ich bestellen eine Frühlingsrolle.
Die Teller kommen im Wan Bao nicht zu schnell und nicht zu langsam. Die Küche gibt Zeit zum Genießen, aber lässt die Gäste nicht zu lange warten. Der Nachbartisch, der eine große Pekingente bekommen hat und an einem Drehtisch sitzt, ist guter Stimmung.
Dampfende Köstlichkeiten
Auch wir freuen uns auf die Vorspeisen und genießen sie, nachdem Denver sie perfekt in Szene gesetzt hat. Dabei verhandeln wir intensiv, wie man eine Frühlingsrolle fototechnisch am besten öffnet.
Denver muss sich mit unserer Art zufriedengeben, denn wir sind – gierig – schon zur Tat geschritten, bevor er verkündet, dass der Längsschnitt richtig sei, um über die gesamte Breite Soyasauce hineinlaufen zu lassen.
Wir sind begeistert von den Aromen der Speisen
Alles schmeckt gut und wir sind gespannt auf die Hauptspeise, die uns auf Wärmeplatten dann auch bald serviert wird. Dampfender Reise, frisches Gemüse und elegant tranchiertes Geflügel.
Als Deko gibt es handgeschnitzte Möhren, die kunstvoll aussehen. Man wagt sie gar nicht anzuschneiden. Der Geschmackseindruck ist klar. Wir sind alle begeistert vom zart gegrillten beziehungsweise gegarten Geflügel.
Der zweite Genuss
Zu den Gerichten werden extra Saucen gereicht, die die Geschmacksnoten des Essens bereichern. Unsere sind etwas milder, Denver hat eine schärfere Variante. Beide munden vorzüglich.
Dass man die Portionen kaum schaffen kann, ist nicht so schlimm, denn im Restaurant werden die übrig gebliebenen Speisen verpackt und schmecken – davon konnten wir uns überzeugen – ebenfalls am nächsten Tag gut.
Das flambierte Dessert
Wie das so ist, wenn es einem gut geht. Man bekommt nicht genug. Wenigstens ein kleines Dessert wollen wir uns gönnen – mit dem guten Gewissen, da vom nicht geschafften Essen ja nichts wegkommt.
Xin Wei Xu serviert uns am Tisch eine Ananasscheibe, die er flambiert. Dazu bringt er uns drei Gabeln zum Naschen. Das ist der leckere Abschluss eines guten reichhaltigen Essens, dem wirklich nur noch eins fehlt. Der Absacker.
Die Brücke des Genusses
Hier gibt es zunächst einen Bambusschnaps, der eine angenehme Schärfe hat und leicht süßlich im Abgang ist. Weil man bekanntlich auf einem Bein nicht stehen kann, gibt es schließlich einen Kräuterlikör.
Zum Abschied wird der Glückskeks gereicht. »Ein Wort kann eine Brücke bauen«, heißt es dort. Und gute Küche kann dies erst recht. Das Wan Bao, das zu Wolfenbüttel einfach dazu gehört, baut an dieser Brücke seit so vielen Jahrzehnten.
Weitere Informationen über das Wan Bao
Komißstraße 9 A, 38300 Wolfenbüttel
Telefon: 05331 – 27254