Thorsten Stelzners Vita-Villa im Herzen Wolfenbüttels

„Wir machen das Haus in Wolfenbüttel noch (welt-)berühmt“, sagt Thorsten Stelzner mit einem verschmitzten Lächeln während unseres Gesprächs auf dem gemütlichen Sofa in der Vita-Villa. Dass (welt-)berühmt bei ihm möglich ist, hat er schon mit seinem Gedicht „Gute Nacht, Deutschland“ bewiesen, welches in kurzer Zeit DAS Corona Gedicht 2020 wurde und ihn über Nacht berühmt gemacht hat. Doch dazu später mehr.

Mit Thorsten Stelzner habe ich mich heute zu einem Gespräch verabredet und komme zu dem hübschen gelben Häuschen bei Klein Venedig, an dem ich schon oft vorbeigelaufen oder –geradelt bin. Bereits im Eingangsbereich erhalte ich einen Eindruck von der Vielfältigkeit des Mannes, mit dem ich verabredet bin: hier gibt es viele CDs, unter anderem sein neuestes Werk „Der Mann auf der Terrasse“, kleine Schilder mit Sprüchen, Kalender, Postkarten und vieles mehr. Über ein paar Stufen auf der knarrenden Holztreppe geht es hoch in den kleinen Ausstellungs- und Veranstaltungssaal mit der gemütlichen Sofabühne.

Ich wollte wissen wer der Mann ist, der das kleine Häuschen bei Klein Venedig – dem romantischsten Punkt Wolfenbüttels überhaupt – seit November 2018 zum Leben erweckt hat und was den Besucher dort erwartet. Dienstags, donnerstags und samstags ist Thorsten Stelzner in seiner Vita-Villa anzutreffen. Das schmucke Häuschen ist neben Galerie auch Lese- und Konzertbühne und bietet Platz für besondere Veranstaltungen.

Vom Obststand und der Vita-Mine zur Vita-Villa

Das hübsche Wohnhaus sollte in den 70er Jahren abgerissen werden, aber Professor Paul Raabe und die Wolfenbütteler Familie von Hanstein retteten dieses Schmuckstück, es wurde saniert und ging später in den Besitz der Erbin Ursula Freytag über. Und wie kam der gebürtige Wolfenbütteler, der zwischenzeitlich in Braunschweig mit seiner Vita-Mine erfolgreich wurde, wieder zurück in seine Heimatstadt?

Auf meine Frage hin erzählt er mir von seiner Begegnung mit Ursula Freytag im Jahr 2018. Frau Freytag war auf Stelzner aufmerksam geworden durch seine Ausstellung in Braunschweig, wo er Bilder der Geliebten von Andreas Baader zeigte. Beim Besuch entdeckten die Beiden sofort Gemeinsamkeiten. „So einen wie dich suche ich“ sagte Ursula Freytag „ich habe ein Haus in Wolfenbüttel“. Stelzner hatte das Haus kurz danach besichtigt und ihm wurde sofort klar, dass er zu diesem Ort nicht nein sagen konnte. Und was für ein Vertrauensbeweis von der Besitzerin, sie musste zurück zum Starnberger See und drückte nach kurzem Kennenlernen Thorsten Stelzner den Schlüssel für das Häuschen in die Hand. Da war gleich ganz viel Vertrauen und Sympathie da. Bei Stelzner war es Liebe auf den ersten Blick: „Das Haus hat auf mich gewartet“.

Und jetzt zu Thorsten Stelzner. Er ist 1963 geboren, nennt sich Lyriker, Satiriker, Texter, Kolumnist, Verleger, Veranstalter, Liedermacher und Politpoet. Bereits mit 13 Jahren hat er angefangen, Gedichte zu schreiben und ist auf dem Braunschweiger Großmarkt sozusagen aufgewachsen. Seinen ersten Obstladen mit dem Namen Die Vita-Mine hat er 1992 in Braunschweig am Bültenweg eröffnet und ist 1997 mit diesem zum Hagenmarkt umgezogen. Dadurch hatte er seinen Radius verändert, politisch engagierte Menschen aus dem Kreise der Gewerkschaften kennengelernt und mit ihnen viele Veranstaltungen organisiert. In Erinnerung an seinen Obststand sind auch die Namen für seine Veranstaltungshäuser entstanden: Vita-Mine in Braunschweig und Vita-Villa in Wolfenbüttel.

Gute Nacht, Deutschland

Durch die Decke ist sein Corona Gedicht „Gute Nacht, Deutschland“ gegangen und hat im Jahr 2020 viele Menschen bewegt.

Kurz nach seinem Geburtstag im Frühling 2020 ist Thorsten Stelzner nachts wach geworden und hat die Zeilen in sein Handy spontan eingegeben. Am nächsten Morgen hatte er dann das Video gepostet, zuerst bei Facebook. Als er die Rückmeldung bekam, „hier tut sich etwas mit deinem Gedicht“ hatte er auf Drängen seines Sohnes dieses sofort bei YouTube eingestellt. Und dann kam die Welle, die Thorsten Stelzner auch selbst komplett überrascht und überrollt hat – auch emotional – wie er mir erzählt.

Sofort kamen Anfragen von dpa und NDR, Emails ohne Ende und Menschen mit hoher Spendenbereitschaft meldeten sich bei ihm. Thorsten wurde komplett überrannt und war in den ersten Tagen fix und fertig: „Wenn ich gewusst hätte, dass das Video durch Deutschland rast, hätte ich mir mehr Mühe mit der Aufnahme gemacht“, sagte er. Die Zuhörer scheint das nicht weiter zu stören. Die Zeile „Das ist ein Glück, das größte schier, wir leben jetzt, wir leben hier“ berührt. Doch auch seine Fassungslosigkeit bringt Stelzner in dem Gedicht zum Ausdruck: „Es gibt tatsächlich Menschen hier, die kloppen sich um Klopapier.“ Das haben wir ja alle beim Einkaufen erlebt, so eine verrückte Zeit.

Karl Schaper und die Jungs von Extrabreit

Und die Vita-Villa? Diese ist Galerie, Lese- und Konzertbühne und Veranstaltungssaal. In der kleinen Galerie hängen jetzt im Sommer 2021 Bilder aus dem Nachlass von Dieter Jenke. Die Bilder standen in Schloss Salder auf dem Dachboden und Thorsten hat diesen einen Platz in Wolfenbüttel gegeben. In der Vita-Villa fand bereits eine Ausstellung zu Karl Schaper anlässlich dessen 100jährigen Geburtstag statt. Für den Herbst plant Thorsten Stelzner gerade eine neue Ausstellung. Wenn der Normalbetrieb wieder startet, finden jede zehn Wochen neue Ausstellungen statt, auch Lesungen und Konzerte sind geplant. Für den Besuch der Ausstellung ist der Eintritt frei, Stelzner möchte einladen und niemanden abschrecken. Allerdings steht im Eingangsbereich eine Spendendose, hier sind Spenden herzlich willkommen.

Und wer die Bandmitglieder von Extrabreit mal in Wolfenbüttel erleben möchte, der kann in die Vita-Villa kommen. Stelzner pflegt einen besonders engen Kontakt zu den Jungs von Extrabreit. Kai Havaii hat in der Braunschweiger Vita-Mine schon aus seinem Buch „Hart wie Marmelade“ gelesen, in den Pausen gab es A-cappella Gesang. Und sobald es wieder geht, wird Kai auch nach Wolfenbüttel kommen. Thorstens besonderer Höhepunkt: mit den Bandmitgliedern von Extrabreit am Tag nach dem Konzert in der Fußgängerzone sitzen. Bei einem tollen Frühstück, Atmosphäre genießen und lockere Gespräche führen. Nach dem Konzert war selbst seine über 70jährige Vermieterin so begeistert, dass sie den Schlagzeuger am liebsten adoptiert hätte.

Sie ist total glücklich, dass ihr Häuschen an den richtigen Mann gekommen ist und freut sich über das Leben in ihrem Haus. Und Leben wird der Wolfenbütteler garantiert noch viel mehr in das Haus bringen, denn er ist immer offen für Neues. Sein Motto „immer die Möglichkeit nutzen, ja zu sagen“ hält ihn flexibel und kreativ.

Die Steg-Konzerte

Ein ganz neues Projekt ist sozusagen zufällig entstanden, wie mir Thorsten erzählt. Auf dem Steg bei Klein Venedig machten Thorsten Stelzner und Géza Gál (Leiter der Bigband der TU Braunschweig) mit der Fotografin Yvonne Salzmann Fotos für ihre neue CD. Dabei musizierten die beiden einfach nur zum Spaß. Sofort blieben Passanten auf der Brücke an Klein Venedig stehen und hörten zu. Die Beiden haben den Impuls aufgegriffen und daraus sind die Steg-Konzerte entstanden. Diese sollen künftig einmal die Woche stattfinden. Auch die vorbeikommenden Touristen sind davon total begeistert. Wer für das Freiluft-Konzert spenden möchte, kann dies an der aufgestellten Spendendose an Klein Venedig tun.

Wir sitzen gemütlich auf dem Sofa in der Vita-Villa und ein bisschen erstaunt bin ich schon, dass hier der Spieleteppich von Clic Clac (dem Familienmagazin für unsere Region) liegt. Der passt auf den ersten Blick nicht so ganz zu dem Ambiente. Aber Thorsten zeigt mir, dass sowohl die Vita-Villa wie auch er selbst auf dem Teppich zu sehen sind. Da er für das Familienmagazin Kolumnen schreibt, wurde er hier verewigt.

Während wir erzählen, kommt eine Besucherin in die Vita-Villa, die Thorsten Stelzner schon lange kennt. Auf meine Frage, wie sie Thorsten beschreiben würde antwortet sie mit „extrem spontan, extrem ideenreich und extrem flexibel“. Und ein Mann mit solchen Eigenschaften ist natürlich eine Bereicherung für unser Kulturleben in unserem schönen Wolfenbüttel!

Seid ihr neugierig auf die Vita-Villa und Thorsten Stelzner geworden? Schaut doch mal auf seine Internetseite, dann seid ihr immer auf dem Laufenden.

Vita-Villa, Kleiner Zimmerhof 9, 38300 Wolfenbüttel

Thorsten Stelzner, 0171 8049411, info@vitamine-verlag.de oder www.dievitamine.de

Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag 10-18 Uhr, Samstag 11-15 Uhr

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