Links das Lessinghaus, rechts die Herzog August Bibliothek

Mit dem Rad auf Lessings Spuren

Es ist Sonntag, die Sonne scheint und ich bin unterwegs zur ersten Radtour des Jahres. Ich will heute auf Lessings Spuren radeln und das nicht alleine. Rund 50 Leute haben sich auf dem Wolfenbütteler Stadtmarkt eingefunden, der Ausgangspunkt für die Tour ist. Es ist die Auftakt-Tour des Stadtradelns 2018 in Wolfenbüttel, eine Aktion an der ich zum 4. Mal teilnehme. Der Grund, warum ich auf Lessings Spuren mitradeln will, ist allerdings ein anderer: Seit 2016 trägt Wolfenbüttel den Namenszusatz „Lessingsstadt“ und das zu recht. Ich habe mich in den letzten zwei Jahren viel mit unserem Namensgeber beschäftigt und heute will ich seine wichtigsten Stationen abklappern. Das Fazit schon mal vorweg: Nachmachenswert! Auch oder erst recht, wenn ihr keine Lessingfans seid, denn der Mensch Lessing und sein Weg sind wirklich spannend und ganz nebenbei ist es auch noch eine schöne Radtour.

Gemeinsam per Rad unterwegs

Da wir eine große Gruppe sind, haben wir Unterstützung vom ADFC Wolfenbüttel. Erika Neumann radelt vorne weg und sorgt dafür, dass keiner vom rechten Weg abkommt. Wenn ihr die Tour nachradeln wollt, stelle ich euch unten den GPX-Track zur Verfügung (vielen Dank an Erika Neumann und den ADFC). Außerdem begleitet uns Sigrun Bethmann. Sie ist Stadtführerin und wird uns ein paar Infos zu Lessing und seinem Leben geben. Zu Beginn der Tour, denke ich, dass ich vermutlich nichts Neues erfahren werde, habe ich die Inhalte unseres Angebots „Lessing lebt!“ in der Wolfenbüttel-App doch vorwärts und rückwärts intus. Doch wie so oft, irre ich. Sigrun Bethmann bringt ein paar kleine Aspekte zu Lessing ein, die ich nicht auf dem Schirm hatte und auch Erika Neumann berichtet Interessantes und für mich Neues (wenn auch nicht zu Lessing). Aber der Reihe nach!

Lessing in Wolfenbüttel

Wir starten am Stadtmarkt und radeln bis zum Denkmal von Nathan dem Weisen auf der Wiese vor der Herzog August Bibliothek und in direkter Nachbarschaft des Lessinghauses. Und schon sind wir mittendrin in Lessings Wolfenbüttel. Aber warum eigentlich Lessingstadt Wolfenbüttel?

Lessing verbrachte seine letzten 11 Lebensjahre in Wolfenbüttel und damit die längste Zeit seines Lebens an einem Ort, abgesehen von seiner Kindheit. Das ist doch schon mal ein Grund für den Namenszusatz. Aber mindestens genauso wichtig: Die authentischen Orte sind weitestgehend noch vorhanden, da Wolfenbüttel vom Bombenhagel des zweiten Weltkriegs verschont blieb.

Hier, auf dem Platz vor der Herzog August Bibliothek, können wir alle Wohngebäude Lessings sehen. Bei seiner Ankunft in Wolfenbüttel lebte er im Schloss. Eine fürstliche Unterkunft möchte man meinen, doch für Lessing muss es trostlos gewesen sein. Der herzogliche Hof war schon vor einiger Zeit nach Braunschweig gezogen und das Schloss stand verlassen da. Nur mit seinem Diener soll er da gewohnt haben. Gruselig.

Nachdem er geheiratet hatte, lebte er mit seiner Frau Eva (König) und seinen Stiefkindern im Meißnerhaus – quasi auf der anderen Straßenseite –  und verbrachte dort sein wohl glücklichstes Jahr.

Tragisch wurde es dann, als das Paar – sie hoch schwanger – in das heutige Lessinghaus einzogen. Nicht nur der Sohn Traugott starb kurz nach der Geburt, auch seine Frau Eva überlebte das Kindbett nicht. Auch wenn Lessing sich davon nie wieder erholte, schrieb er in Evas Sterbezimmer sein wohl berühmtestes Werk: Nathan der Weise. Darum die Statue, an der wir jetzt stehen.

Links das Lessinghaus, rechts die Herzog August Bibliothek
Links das Lessinghaus, rechts die Herzog August Bibliothek ©Stephanie Angel, Stadt Wolfenbüttel

Drehe ich mich noch ein Stückchen weiter im Kreis, fällt mein Blick auf die Herzog August Bibliothek. Hier hat Lessing als Bibliothekar gearbeitet. Das nenne ich mal einen kurzen Arbeitsweg. Zu Lessings Zeit stand auf der Wiese allerdings noch die „Rotunde“. Wenn ihr mehr wissen wollt, ein Modell gibt es im Lessinghaus. (Kleiner Tipp: Die Eintrittskarte fürs Lessinghaus gilt auch für die Herzog August Bibliothek.) So viel Zeit haben wir heute nicht. Nach diesem kurzen Einblick in Lessings Stationen in Wolfenbüttel, radeln wir weiter in Richtung Braunschweig.

Auf Lessings Spuren

Warum nach Braunschweig? Weil er dort begraben liegt! Sein Grab ist unser Etappenziel für heute. Vorher radeln wir raus aus der Stadt und über den Alten Weg in Richtung Nachbarstadt. Der Alte Weg ist vermutlich die Strecke, die Lessing früher selbst oft zurückgelegt hat. Es zog ihn nach Braunschweig, da ihm in Wolfenbüttel, nach dem Weggang des Hofes, die passenden Gesprächspartner fehlten. Geld für die Kutsche hatte er kaum und so ging er zu Fuß. Heute ist manchem schon die Radtour zu weit, Lessing hingegen ging die Strecke nach Braunschweig wohl regelmäßig. Sein Spazierstock ist im Lessinghaus ausgestellt, er ist eines der wenigen Privatstücke, die von ihm noch erhalten sind.

Unsere Tour führt uns entlang blühender Rapsfelder und von rechts weht ein sanfter Bärlauchduft aus dem Wald. Wie es wohl zu Lessings Zeiten hier gerochen hat? Den Blick auf das Hüttenwerk in Salzgitter hatte er definitiv noch nicht 😉

Rapsfeld
Raps soweit das Auge reicht. ©Stephanie Angel, Stadt Wolfenbüttel

Das Hohe Gericht

Was er auch nicht mehr mit ansehen musste, war die Hinrichtungsstätte des Fürstentums Braunschweig, die sich im Lechlumer Holz befand. Ganz bewusst wurden entlang des Alten Weges, wo viele Menschen vorbei kamen, zur Abschreckung die Verbrecher nach ihrer Hinrichtung am Galgen belassen. Als Lessing die Strecke ging, war die Hinrichtungsstätte allerdings schon auf den Wendessener Berg verlegt und ihm blieb der gruselige Anblick erspart. Während Erika Neumann uns davon berichtet, brutzeln wir in der Sonne und lassen lieber den Blick über die blühenden Felder schweifen. Auf einer Infotafel findet ihr weitere Informationen.

Stöckheimer Weghaus

Unser nächster Haltepunkt war für Lessing oft schon Endstation: Das Stöckheimer Weghaus. Während wir im Schatten eines Baumes kurz verschnaufen, erfahren wir, dass Lessing hier oft zu Gast war, um sich mit Freunden zu treffen. Bei dem einen oder anderen Gläschen Wein dürfte er hier so manche Stunde verbracht haben. Man traf sich quasi auf halber Strecke. Oft soll Lessing aber auch wirklich bis nach Braunschweig spaziert sein. Später hatte er hier sogar eine kleine Wohnung. Eigentlich müsste der doch topfit gewesen sein bei dem Kilometer-Pensum!

Stöckheimer Weghaus
Wo heute der Eingang ist, fuhren früher die Gespanne durch das Stöckheimer Weghaus ©Stephanie Angel, Stadt Wolfenbüttel

Lessings Stationen in Braunschweig

In Stöckheim biegen wir ein paarmal ab und sind nach wenigen Metern am Südsee. Ich mag diese Strecke zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig. Man fährt fast durchgängig im Grünen. Am Südsee begegnen wir vielen Wochenendausflüglern und müssen diszipliniert hintereinander fahren. So geht es weiter entlang des Bürgerparks und nach ein paar Abbiegungen (ich habe zwischenzeitlich etwas die Orientierung verloren) stehen wir ganz plötzlich vor Lessings Denkmal.

Ein Denkmal zu Ehren Lessings

So bedeutend und top aktuell Lessings Werke heute sind, so vergessen war Lessing kurz nach seinem Tod. Sogar das Grab hatte man vergessen, so dass eine Zeitlang gar nicht bekannt war, wo er begraben liegt. Nachdem das Grab wieder entdeckt worden war, wurde auch ein angemessenes Denkmal geschaffen. Ganz in der Nähe ist er übrigens im Haus eines befreundeten Weinhändlers verstorben. Das Haus ist heute nicht mehr erhalten, dort steht jetzt das Leisewitz-Haus. Lessing starb hier am 15. Februar 1781. Heute ist der Ort des Denkmals und die Straße Hinter Ägidien eine kleine Oase in der Hektik der Stadt. Als wir wieder an der Hauptstraße sind, fühle ich mich wie in einer anderen Welt.

Lessing Denkmal in Braunschweig
Lessing Denkmal in Braunschweig ©Stephanie Angel, Stadt Wolfenbüttel

Lessings Grab

Wir radeln noch ein Stückchen weiter zu Lessings letzter Ruhestätte. Auch hier taucht man in eine andere Welt ein. Der Magnifriedhof gleich hinter der Stadthalle (was für ein Kontrast) ist idyllisch und fast wie ein kleiner Park angelegt. Die Fahrräder lassen wir stehen und machen uns auf die Suche nach Lessings Grab. Zum Glück gibt es am Eingang ein Hinweisschild und auch die Trampelpfade des etwas höher stehenden Grases verraten, wo wir den berühmten Dichter und Aufklärer finden. Das Ende unserer Tour ist erreicht und ich habe endlich auch die Stationen in Braunschweig kennen gelernt. Den Friedhof besuche ich irgendwann auch noch mal im Frühling, wenn hier alles voller blauer Scilla-Blüten sein soll.

Lessings Grabstein in Braunschweig
Lessings Grabstein in Braunschweig ©Stephanie Angel, Stadt Wolfenbüttel

Habt ihr Lust bekommen, auch auf Lessings Spuren zu radeln oder vielleicht zu wandeln? Auch ein Spaziergang ist sicher schön, mir wäre es aber zu weit. Die Route soll irgendwann ausgeschildert werden. Das dauert aber noch etwas, daher nehmt einfach erst mal den GPX-Track (Lessing Radtour – ihr müsst die ZIP-Datei entpacken) und ladet ihn aufs Handy oder Fahrradnavi. Als Ersatz für die Stadtführerin guckt unbedingt vor oder während der Tour in die Wolfenbüttel-App. Mit „Lessing lebt“ könnt ihr zu jeder Station spannende Infos erfahren. Berichtet mir mal, wie es euch gefallen.

4 Gedanken zu “Mit dem Rad auf Lessings Spuren

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