Wir ziehen heute durch die Innenstadt, um sechs Kneipen auf das Genaueste zu erkunden. Wolfenbüttel ist zwar nicht München, hat aber einige urige Kneipen zu bieten.
Nur Handyläden und Drogerien…
»Du hast einen Kneipenbummel gemacht«, fragt mich mein Sohn. Ein bisschen Mitleid liegt in der Stimme. »In Wolfenbüttel?« Ihn hat es nach München verschlagen. Mit seiner Metropole könne ich vielleicht nicht mithalten. Für einen vergnüglichen Abend lange es aber, werfe ich trotzig ein.
In Wolfenbüttel gebe es nur Drogerien und Handygeschäfte. Dieses Gerücht ist mir, bevor ich mein Gegenüber mit der Einkaufsbummel-Rubrik von »echt lessig« konfrontiere, oft zu Ohren gekommen. Und Kneipen existierten sowieso nicht mehr. Das stimmt definitiv nicht.
Es gibt sie, die Wolfenbütteler Kneipen
Das Um-Die-Häuser-Ziehen muss früher beliebter gewesen sein. Aber: Es gibt sie, die Kneipen. Und zwar in ganz unterschiedlicher Form. Wir treffen uns an einem Samstag. Das ist der klassische Kneipenbummel-Tag. Finde ich jedenfalls. Startpunkt ist der Schlossplatz. Der hat seit dem Umbau wirklich gewonnen.
Der Schlossplatz, das Lessinghaus, etwas versetzt die Bibliothek, Zeughaus und die stattliche historische alte Häuserreihe bis hin zum modernen Löwentor, sind ein stimmiges Ensemble. Fontänenbrunnen und die beschnittenen kantigen Baumkronen erinnern an die Zeit des Hofes.
Startpunkt: »Schloss-Schänke«
Die »Schloss-Schänke«, inmitten dieses historischen Platzes, ist die erste Kneipe, in die wir heute gehen. Da sind natürlich Denver und ich. Und damit die Runde etwas aufgelockert wird, hat Denver seine Freundin Tanny mitgebracht, ich meinen besten Freund Roland.
Ein Kneipenbummel verbindet. Das merken wir um 23 Uhr bei der herzlichen Verabschiedung. Jetzt ist es 18 Uhr. Die Tischreihen der Außengastronomie der Schlossschänke sind noch dünn besetzt. Aber fast an jedem Tisch zeigt ein Reservierungsschild, dass das Leben hier gleich losgeht.
Eine Grundlage ist notwendig
Drinnen läuft der Fernseher. Heute gibt es ein Länderspiel, zu Bundesligazeiten gibt es den aktuellen Spieltag. Damit wir eine Grundlage haben, bestellen wir ein paar Kleinigkeiten: überbackenen Schafskäse und Pommes sowie einen Klassiker: die Currywurst.
Die Schlossschänke ist eine Kneipe, in der man gut essen kann. Zu den Standardgerichten gibt es immer eine Sonderkarte. Im Moment locken Matjes und Spargel. Im Herbst wird Braunkohl angeboten. Denver probiert ein Fürstenbräu Granat aus. Der Rest beginnt mit einem alkoholfreien Weizen.
»Theo« ist kult
Eins ist klar: In jeder einzelnen Kneipe hätte man bequem verweilen können – um nicht das unschöne Wort versacken zu benutzen. Aber es geht für uns weiter. Der Timer von Denvers iPhone mahnt und wir ziehen zu den Krambuden. Dort haben wir Glück.
Denn bei »Theo« gibt es draußen noch einen Platz. Drinnen läuft ebenfalls Fußball und der Jubel begrüßt uns zur Bierbestellung. »Theo« heißt eigentlich »Alt Wolfenbüttel« und ist so etwas wie eine Kultkneipe. Hier trifft Wolfenbüttel sich – nicht nur am Mittag des Heiligen Abends.
Hier schüttet man sich das Herz aus
Der ganze Platz – mit Pizzeria, Konditorei, Eisgeschäft und Bistro – ist so eine Art Gourmetmeile. Da trifft es sich gut, dass der Wirt ein großes Herz hat. »Wir haben hier auch immer eine Karte vom Verona. Wer etwas zum Bier haben möchte, bestellt es sich oder bringt es einfach mit.«, meint er.
Kleine Knabbereien gibt es in der Kneipe oder eine Boulette. Wir bestellen einen Kranz Kölsch. Die Stimmung in der Runde ist schon vertrauter geworden. Ein Fußballfan, der in der Pause kurz frische Luft schnappt, schüttet heiser sein Herz aus. Er halte die Spannung nicht mehr aus.
Die Mühle: Pub und Spieleparadies
Kneipen sind Orte der Kommunikation. Wildfremde Menschen sind sich nahe, kommen ins Gespräch. Das ist auch auf unserer nächsten Etappe nicht anders. Ein paar Schritte nur und wir sind schon in der Mühle, eigentlich eine Studentenkneipe. Aber wir sind ebenfalls willkommene Gäste.
Hier gibt es neben einer Karte für den kleineren und größeren Hunger, jede Menge ausgefallener Getränke, vor allem Spielmöglichkeiten: Automaten, Kicker, Billard, Darts. Denn auch das gehört zur Kneipenkultur. Nur wo der Mensch spielt, ist er Mensch, sagt Schiller. Wenn das keine Bildungs-Ausrede für einen Kneipenbummel ist …
Immer weiter durch die Altstadt
Was im »Alt Wolfenbüttel« deutsche Gemütlichkeit ausstrahlt, ist in der Mühle auf Pub getrimmt. Beliebt ist hier das Guinness. Aber auch Cocktails und Wein, der von dem Fachgeschäft in der Stadt – Barrique – geliefert wird, haben ihre Freunde. Wir sitzen an der Theke und unterhalten uns mit der Wirtin. Sie erzählt, dass sie an einer neuen Karte feilt.
Für die nächste Station schlendern wir gemütlich durch die wunderbare Altstadt: über den Platz vor Seeliger zum Stadtmarkt, nach links zur alten Kanzlei, in der früher die große Politik des Herzogtums vorbereitet wurde, durch die Klosterstraße auf die Hauptkirche zu. Dort, auf der Kirchstraße, gibt es eine Eckkneipe.
Eine echte Eckkneipe: die Gaststätte im Zentrum
Niemand von uns war schon dort. Aber wir sind neugierig. Die »Gaststätte im Zentrum« macht einen frischen Eindruck. Im doppelten Sinne: Alle Fenster sind geöffnet, der Innenraum ist hell und renoviert, wie wir erfahren, als wir an der Theke sitzen und ein Bier vor uns stehen haben.
Neben uns verweilen Stammgäste, die sich unterhalten. In einem kleinen Nebenraum rechts läuft der Fernseher. Links kann man Darts spielen. Wie das »Alt Wolfenbüttel« handelt es sich um eine Raucherkneipe. Bei der Schlossschenke und der Mühle gibt es abgetrennte Bereiche. »Wir sind hier so etwas wie eine große Familie«, erzählt der Wirt.
Echte Künstler, leckere Whiskys
Während Tanny im Gespräch mit anderen Gästen ist und Denver fotografiert, probieren Roland und ich Brandy und Whisky. Im Zentrum wird auf Vielfalt wertgelegt. Einer der Gäste hat ein tolles Hobby. Aus den Köpfen von Streichhölzern fertigt er Bilder.
Da er gleich um die Ecke wohnt, holt er ein Beweisstück. Er hat ein Bild des Panikrockers Udo Lindenberg auf diese Weise detailgetreu umgesetzt. Auch hier steht nach Ablauf unseres Timers fest, dass die Zeit viel zu kurz war. Wir verabschieden uns wie alte Freunde und streben den Weg zurück zum Kornmarkt an.
In den Wolters Bierstuben gibt’s noch Frühschoppen
Auch die »Wolters Bierstuben« sind eine Stammkneipe. Oben an der Decke stehen alte Bierglasraritäten. »Da waren die Leute von Wolters schon ganz scharf drauf«, berichtet der Wirt, während er uns ein Bier zapft. Bereits am Vormittag kann man hier seinen Frühschoppen trinken.
Im hinteren Bereich gibt es eine Eintracht-Fanecke. Heute wird Darts gespielt. Auch die Bierstuben sind eine Raucherkneipe. Denver fachsimpelt mit einem Gast, der sich genussvoll seine Pfeife stopft. In dieser Kneipe wird ebenfalls Gemütlichkeit und Kommunikation großgeschrieben.
Irisches Flair im King’s Head
Noch zwei Kneipen stehen auf dem Programm. Und dabei sind die Stadtteilkneipen oder das »Komm Beach« gar nicht gezählt. Also von wegen: Man kann keinen Kneipenbummel in Wolfenbüttel machen. Vom Kornmarkt beim Möbelhaus Balzer, Röber, Behr und Erdbrink & Vehmeyer vorbei – ja, man kann hier auch einkaufen – sind wir nun im King‘s Head.
An dieser Ecke geht’s irisch zu. Ein Musiker bereitet sich auf seinen Liveauftritt vor, wir werden freundlich an der Theke begrüßt. Denver bekommt endlich seinen B52 – eine Mixtur aus Sambuca, Rum und Likör –, ich eine kleine Tüte Chips und wir alle einen schwarz-rot-goldenen Shot. »Unsere Jungs« hatten gewonnen.
Und Rolands und mein Trikottragen wurde belohnt. Drinnen und draußen ist viel los. In einem Nebenraum wird ebenfalls Darts gespielt, der Solokünstler stimmt seine Gitarre und legt los. Auch das King‘s head ist eine richtig schöne Kneipe. Dass es erfrischenden Cider gibt, begeistert mich besonders.
Was macht der Alkohol?
Unter gruppendynamischen Aspekten kann man inzwischen gesteigerte Vertrautheit feststellen. Böse Zungen mögen das auf den Alkohol zurückführen. Das mag sein. Aber ich bin mir sicher, der hat lediglich katalysatorische Wirkung. Wir sind alle noch »beieinander« und es ist erstaunlich, wie viel man sich zu erzählen hat. Auch die Handys bleiben in der Tasche.
Auf, zum letzten Punkt für heute: das Fritz auf dem »Großen Zimmerhof«. Es sei »unfassbar anders«. Es ist jetzt fast 23 Uhr. Die Plätze der Außengastronomie sind immer noch belegt. Ein kleiner Stehtisch ist unser. Aus den Lautsprechern von drinnen tönt »Gute Laune Musik« – deutsche Schlager.
Fritz mit Hassburger
Wenn heute nicht Fußballübertragung gewesen wäre, würde es sogar Hassburger geben. Ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht. Irgendwann, zu fortgerückter Stunde, kommt der Appetit zurück. Und ein Burger ist dann genau das, was man braucht.
Auch hier kann man Kicker oder Darts spielen. Auch in dieser Kneipe wird Gastfreundschaft großgeschrieben. Und der Blick auf den Okerarm, der neuerdings über eine Treppe bis zum Ufer begehbar ist, gibt eine traumhafte Kulisse, um gemütlich abzuhängen.
Runter vom Sofa, rein in die Kneipe
Sechs ganz unterschiedliche Kneipen, resümieren wir am Ausgangspunkt unserer Tour auf dem Schlossplatz, wo wir uns tränenreich verabschieden. Unterschiedlich aber auf ihre Weise alle authentisch. Wir können deshalb nur empfehlen: Kommt runter von Sofa und entdeckt Wolfenbüttel auf diese schöne Weise.
Stadtkeller ist auch eine Kneipe