Casanova

Casanova – 8 Tage Leidenschaft, Erfüllung!

Nachgefühlt von Andreas Jäger.

Es war ein merkwürdiges Wetter, seit Tagen schon war es am Regnen, nie richtig stark, immer nur ein feiner aber sehr unangenehmer Sprühregen, und dabei war es noch dazu für den Mai ungewöhnlich warm.
Der Kutscher vor mir auf dem Bock fluchte leise ob des schlechten Wetters. Im Inneren der Kalesche wurde ich hin und her geschaukelt, und das wäre auch ein Grund für mich gewesen zu fluchen, aber was mich viel mehr ärgerte, war der Prinzregent, und noch immer lag mir der grobe Spruch im Ohr, als er mir sagte, »Sie können also abreisen, wann es Ihnen beliebt. Leben Sie wohl, Herr von Seingalt, ich wünsche Ihnen eine glückliche Reise«. Naja, abreisen, das kam gar nicht in Frage, so etwas wäre völlig gegen meine Ehre gewesen, bleiben nun aber unglücklicherweise auch nicht, also bezahlte ich meine Rechnung in meinem Gasthofe in Braunschweig, bestellte die Kutsche (in der ich jetzt saß) und fuhr nach Wolfenbüttel. Die Bibliothek dort sollte mein Ziel sein, auf allen meinen Reisen hatte ich schon so viel von ihr gehört, und ein Ruf von ausgezeichneter Güte ging ihr voraus.
Wir passierten einen Wald, und ich dachte schon, der Kutscher sei auf einem falschen Wege, als plötzlich die Bäume lichter und die Häuser des Städtchens Wolfenbüttel sichtbar wurden, und ich weiß nicht, ob es ein Zeichen des Himmels war, oder Vorhersehung, aber in dem Moment, wo die Kutsche in das Städtchen fuhr, hörte der Regen auf und die Sonne zeigte sich in voller Pracht am Himmel.
Der Kutscher brachte mich direkt zur Bibliothek, ein überaus eindrucksvolles Bauwerk, allein die Kuppel …

Welch einen Schatz, welch famose Sammlung hatte der Herzog zu Braunschweig hier zusammengetragen.

Ich stieg aus und begab mich direkt in die Bibliothek, wo ich mich beim Bibliothekar melden ließ, ein freundlicher kleiner Kerl mit einem lustigen Gesicht, der Klosterrat Hugo. Er empfahl mir als Quartier die »Kron zu Spanien« und stellte mir einen Burschen, der mich dort hin geleiten sollte. Aber meine Neugier hinsichtlich dieser Bibliothek, immerhin die drittgrößte ganz Europens, war so groß, dass ich trotz eines immensen Hungers mich entschied, in dieser zu verweilen, um durch die unglaubliche Vielfalt der Bücher zu streunen.
Unglaublich, das Wissen von Generationen lag vor meinen Augen, und ich dachte, wer das alles gelesen hätte, der müsse über ein geradezu göttliches Wissen verfügen.
Erst weit nach Einbruch der Dunkelheit verließ ich die Bibliothek und ließ mich zu meinem Gasthofe geleiten.
Obgleich mir der Herr Klosterrat die »Kron zu Spanien« bestens empfohlen hatte, erwies sich diese Unterkunft als ein nur mittelprächtiges Quartier und gerade das Abendessen, das ich mir nun auftragen ließ, war mehr als eine Enttäuschung, und ich fragte mich, ob die hier lebenden Menschen immer so sparsam speisen würden, oder ob es sich lediglich um den puren Geiz des Wirtes handelte, dass er mir eine solch unverschämt kleine Portion aufgetragen hatte und mir zudem jeglichen Nachschlag verweigerte.
Die nun kommenden Tage verbrachte ich daher fast ausschließlich in der Bibliothek, wo ich mich lediglich in Gesellschaft schweigender Bücher befand, die dennoch mehr zu sagen hatten als so manch ein geschwätziger Zeitgenosse.
Zudem genoss ich die abendlichen Spaziergänge zurück zum Gasthofe, schlenderte auch immer wieder abseits des vertrauten Weges und machte so manche Entdeckung in diesem hübschen Städtchen, beispielsweis, dass die Stadt von vielen kleinen Kanälen durchzogen war. Was die Ursache für meine scherzhafte Behauptung war, ich befände mich gerade in »Klein Venedig«, obgleich ich Wolfenbüttel zugestehen muss, dass es hier weit sauberer war als in meiner Heimatstadt.

An einem Montag dann verließ ich Wolfenbüttel, durchaus schweren Herzens.

Das Wetter war ausgezeichnet und so verbrachte ich acht sehr angenehme Tage in Wolfenbüttel, ich ließ mich weder durch das schlechte Essen noch durch das harte Bett in meinem Gasthause verdrießen und freute mich tagtäglich darauf, eine seltene Ausgabe der »Odyssee« und der »Ilias« ins Französische zu übersetzen.
An einem Montag dann verließ ich Wolfenbüttel, durchaus schweren Herzens.
Denn die Bücher in der Bibliothek waren in jenen Tagen so etwas wie meine stummen Freunde geworden. Auf der Rückfahrt nach Braunschweig in meiner Kutsche sitzend dachte ich, das waren gerade vielleicht die acht glücklichsten Tage meines Lebens, keine Gedanken an eine Zukunft, keine an eine Vergangenheit, da waren nur die Arbeit, die Bücher und der Herr Klosterrat, der mir jegliche Hilfe zuteilwerden ließ, die ich hinsichtlich der Bücher dort brauchte, und dann …
… dann war da ja auch die junge Tochter des Wirtes, an die ich jetzt schon fast zärtlich denken musste, aber, das ist eine ganz andere Geschichte …

 

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