Auf den Punkt gegart… © Denver Künzer

Das »Piccolo« in Wolfenbüttel mit großem Geschmack

Mitten in der Woche führt Denver und mich der Weg zu Angelo und Piero. Sie bewirten das »Piccolo«. Das Restaurant ist eher klein, was die räumlichen Ausmaße anlangt. Kulinarisch finden wir dagegen viel.

Angelo und Piero sorgen für das Wohl der Gäste im Piccolo. © Denver Künzer
Angelo und Piero sorgen für das Wohl der Gäste im Piccolo. © Denver Künzer

An der Ernst-Moritz-Arndt-Straße 71 kommst du nicht mal eben so vorbei. Jedenfalls nicht, wer dort nicht gerade in der Nähe wohnt. In meiner Kindheit war das der Fall. Allerdings beherbergte das Eckhaus zur Wilhelm-Brandes-Straße damals kein italienisches Restaurant, sondern eine Kneipe.

Dar Barbereich heißt im Piccolo die Gäste willkommen.  © Denver Künzer.
Dar Barbereich heißt im Piccolo die Gäste willkommen. © Denver Künzer.

Stadtteil mit Nachkriegsgeschichte 

Die Siedlung im Westen Wolfenbüttels ist ein Spiegel der Nachkriegsgeschichte. Hier wurden zunächst deutsche Flüchtlinge aus dem Osten angesiedelt. Hier gab es dann bald funktionale Mehrfamilienhäuser und die Infrastruktur eines Stadtteils, wie sie inzwischen fast schon vergessen ist.

Dort, wo heute das »Piccolo« seine Gäste verwöhnt, holte ich meinen Vater sonntags vom Frühschoppen ab und spekulierte auf eine Fanta. Gegenüber war ein Fleischer, ein Schreibwarenladen, ein Edeka und ein paar Meter weiter die kleinste Tankstelle, die ich bis heute kenne.

Wir stehen in einer ziemlich illustren Reihe von Gästen, die Angelo schon bedient hat… © Denver Künzer
Wir stehen in einer ziemlich illustren Reihe von Gästen, die Angelo schon bedient hat… © Denver Künzer

Willkommen im »Piccolo«

Es ist Mittwoch. Angelo Cau und seine Frau stehen hinter dem Tresen und bereiten die Getränke für die Tische vor. »Es ist gut, dass Ihr nicht am Freitag gekommen seid, dann wäre es ziemlich voll gewesen und wir hätten keine Zeit zu reden«, raunt mir Angelo beim Vorübergehen zu.

Drei Tische sind in dem Wirtsraum besetzt, der vor kurzem renoviert wurde. Ein Fußboden in schlichter Holzoptik, frisch gestrichene helle freundliche Wände, nichts ist überladen. Zwei Familien sitzen vor ihren Speisen, ein Paar, und nun breiten wir uns aus.

Ein edel gedeckter Tisch stimmt auf das Essen ein… © Denver Künzer.
Ein edel gedeckter Tisch stimmt auf das Essen ein… © Denver Künzer.

Das Terrain sondieren

Wenn Denver seine Kamera herausholt und das riesige Objektiv anbringt, sieht das immer aus, als rüste er sich zur Jagd. Dann fängt er mit der Arbeit an: Der Weißabgleich, einige für mich unerklärliche Handgriffe und Einstellungen, während ich bereits die Tischkarte studiere.

Diese ist eine Tafel, auf der Angelo das notiert, was es aktuell an Besonderheiten gibt. »Ich kaufe wenige und gute Sachen ein, und wenn Gerichte aus sind, dann sind sie eben aus«, erklärt er uns. Wichtig seien ihm vor allem Qualität und zufriedene Kunden. 

Appetitmacher vom Feinsten… © Denver Künzer
Appetitmacher vom Feinsten… © Denver Künzer

Kulinarische Überraschung

Da lacht mich die Verheißung einer cremigen Burrata an. Was mögen »Linguine Grancio« sein oder »Pesce Spada«? Nudeln und Fisch – aber wie mag er aussehen? Angelo Cau nimmt sich Zeit. Er ist Kellner und Gourmetbotschafter. Mit seinem singenden Deutsch, das von einem weichen italienischen Akzent begleitet wird, winkt er schnell ab, als wir über die Speisenfolge spekulieren.

Er und sein Cousin Piero, der kurz seinen Kopf freundlich aus der Küche herausstreckt und uns fröhlich zuwinkt, hätten sich da etwas überlegt. Ob wir uns überraschen lassen wollen? Wir wollen, natürlich. An diesem Abend reden wir eigentlich gar nicht so viel über das Essen.

Unsere Muschelpremiere. © Denver Künzer
Unsere Muschelpremiere. © Denver Künzer

Von Sardinien nach Wolfenbüttel

Alltägliches ist Thema, durchbrochen von »Aahs« und »Ooohs«, wenn wieder mal etwas Neues gereicht wird. Für Angelo ist diese Tätigkeit in seinem Restaurant Berufung. Er stammt aus Sardinien, aus einer armen Familie, wie er erzählt. Da mussten auch die Kinder mit anpacken.

»Um mir mein Schulgeld zu verdienen, habe ich abends in einem Restaurant als Jugendlicher gearbeitet und ging dann tagsüber zur Schule«, erzählt er. Der Zufall habe ihn in die Gastronomie geführt und seit dieser Zeit hat ihn dieser kleine Kosmos, der so ganz seinen eigenen Regeln folgt, nicht mehr losgelassen.

Und dazu einen kühlen Vermentino. © Denver Künzer
Und dazu einen kühlen Vermentino. © Denver Künzer

Italien – Deutschland – Italien – Deutschland 

Angelo Cau war zunächst, nach der Schule, schon einmal über fünf Jahre in Deutschland und arbeitete dort als Kellner. Sein Deutsch hat er einfach durch Hören und Sprechen gelernt. Die Verständigung klappt bestens. Ich wäre froh, nur halb so gut Italienisch zu können.

Nach der Zeit in Deutschland kamen wichtige Lehr- und Arbeitsjahre. Für 15 Jahre ging Angelo Cau nach Rom. Dort arbeitet er in einem richtig noblen Hotel als Kellner. Nachdem wir die ersten Vorspeisen zu uns genommen haben, holt er ein kleines Fotoalbum mit Erinnerungen heraus.

Leckere Linguine mit Krebsfleisch. © Denver Künzer
Leckere Linguine mit Krebsfleisch. © Denver Künzer

Der Geschmack nach Meer

Das passt, um die ersten kulinarischen Eindrücke zu verarbeiten. Für uns beide ist an diesem Tag »Miesmuschelpremiere«. Etwas unsicher fingern wir zunächst an den Schalen herum. Denver ist rasch gewandt. Er benutzt eine Schalenhälfte als Hebel und Löffel.

Es schmeckt köstlich: Ein bisschen nach Meer, aber nicht so intensiv. Die Brühe, in der die Muscheln gegart sind, ist lecker. Dann gibt es Pecorino-Variationen: gratiniert, nature und als Creme. Dazu werden verschiedene Konfitüren gereicht. Die süßen und salzig würzigen Aromen des Käses harmonieren damit. 

Angelo demonstriert uns geduldig, wie man die Krebszange benutzt. © Denver Künzer
Angelo demonstriert uns geduldig, wie man die Krebszange benutzt. © Denver Künzer

Wir und George Clooney

Schließlich kosten wir vom leckeren Parmaschinken. Angelos Bericht lässt uns Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten. In Rom gab es reichlich Promi-Gäste und Denver erkennt sofort George Clooney, der da auf dem Foto vertraut seinen Arm um unseren Wirt legt. Michel Platini und zahlreiche andere Stars wurden von ihm bedient.

Wir haben, als wir zum zweiten Nudelgang kommen beide den Eindruck, dass Angelos Cau trotzdem auf dem Boden geblieben ist. Besser als uns kann er Mister Clooney auch nicht bewirtet haben. Dann serviert er uns Linguine mit Krebsfleisch und Cherry-Tomaten. 

Einfach fantastisch… © Denver Künzer
Einfach fantastisch… © Denver Künzer

Geschmackserlebnisse…

Geduldig zeigt uns der erfahrene Kellner, wie wir die Krebszange benutzen müssen. Die Pasta ist al dente und schmackhaft. Das Krebsfleisch wie ein i-Tüpfelchen. Wir schwelgen und schweigen. Zwischendurch nippen wir am frischen Vermentino. 

Das Menü, das für uns an diesem Abend zubereitet wird, ist so, wie ich es »beim Italiener« liebe. Es rumpelt nicht schwer im Magen herum, und jeder Gang macht Lust auf weitere Geschmackserlebnisse. Da liegt an den leichten Zutaten, aber auch daran, dass die Portionen angemessen sind.

Zum Schluss das Beste… © Denver Künzer
Zum Schluss das Beste… © Denver Künzer

Genuss pur

Das gilt genauso für den nächsten Fleischgang. Angelo stellt in die Mitte eine Platte, auf der Rumpsteak aufgeschnitten ist. Es liegt auf einem Bett von Rauke und ist mit groben Parmesanspänen garniert. Auf »Sättigungsbeilagen« hat Piero in der Küche Gott sei Dank verzichtet.

Dieser Gang ist erneut Genuss pur. Das Fleisch ist auf den Punkt – Medium, vielleicht ein bisschen »rare« – gebraten und butterzart. Salz und Pfeffer, die Würze der Rauke und das Umami des Parmesans. So einfach und so gut kann Essen sein. Ein Gläschen Primitivo hebt das Erlebnis.

Herrlich cremig, das Tiramisu. © Denver Künzer
Herrlich cremig, das Tiramisu. © Denver Künzer

Alles ruft nach einem Dessert

Alles ruft nach einem abrundenden Dessert. Mit Tiramisu und Pannacotta reicht Angelo Klassiker. Gerade an diesen kann man aber eine gute Küche erkennen. Denn beide Desserts, schon x-fach gegessen, heben sich heute aus der kulinarischen Erinnerung heraus.

Das Tiramisu nicht so süß und matschig, wie wir es schon oft gehabt haben, das Pannacotta pur und sahnig mit frischen Früchten. Natürlich gibt es nach Denvers Fotoshooting auch noch den obligatorischen Absacker.

Ciao, Angelo und… © Denver Künzer
Ciao, Angelo und seine Frau Katiuscia © Denver Künzer

Wir kommen wieder

Denver wählt einen Averna, ich einen Grappa. An der Ernst-Moritz-Arndt-Straße 71 kommst du nicht mal eben so vorbei. Aber eine Fahrt dorthin lohnt sich auch mit weiter Strecke. Im Winter im gemütlichen Gastraum, im Sommer draußen auf der Hecken umstandenen Terrasse.

Wir werden wiederkommen. Mille Grazie, Angelo und Piero. 

Hier noch ein paar Bilder von unserem Abend:

Weitere Informationen über das Restaurant »Piccolo da Angelo«

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