Britta Michel vom Spielwarengeschäft Entdeckerladen.

Im »Entdeckerladen« auf der Suche nach Kindheitserinnerungen

Wolfenbüttel hat einen Spielzeugladen. Wenn es aber nach der Inhaberin Britta Michel geht, ist er damit nur unzureichend beschrieben und heißt deshalb wohl auch treffender: »Entdeckerladen«. In der Kannengießerstraße versteckt sich hinter der Hausnummer 16 ein buntes Geschäft, dass darauf wartet gefunden zu werden. Wir sitzen auf kleinen Kisten oder Sitzmöbeln, die mich ein bisschen an die Elternabende meiner Kinder in der Grundschule erinnern. Britta Michel ist eine groß gewachsene Frau mit kurzen Haaren und einem hellen Lachen. Sie hat sich dieses Kindsein bewahrt. »Vor einem Kasperletheater fühle ich mich noch immer wohl«, bekennt sie sympathisch und ganz offen.

Hinter der unscheinbaren Fassade versteckt sich der Entdeckerladen.
Hinter der unscheinbaren Fassade verstecken sich Kinderträume … © Andreas Molau, Stadt Wolfenbüttel

Kindsein heißt entdecken

Ich finde, das »Entdeckerladen« ein richtig guter Name für das Spielzeuggeschäft von Britta Michel ist, weil Kindsein und Entdeckungen zusammengehören. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken, egal in welchem Alter wir sind. Und genau dafür steht die Inhaberin mit ihrem Geschäft. Wer es ungewöhnlich findet, sich mit Kuscheltieren zu unterhalten, ist entweder kein Kind mehr oder hat nichts Kindliches mehr in sich. »Mein Mann hat neulich gelesen, dass die Kindheit dann zu Ende ist, wenn eine Pfütze als Risiko begriffen wird«, sagt mir Britta Michel. Das bringt das Dilemma des Erwachsenseins gut auf den Punkt.

Viele Puppen und Kuscheltiere warten im Entdeckerladen auf Kinderbesuch.
Mit solchen Zeitgenossen möchte ich gleich eine gepflegte Unterhaltung beginnen. © Andreas Molau, Stadt Wolfenbüttel

Vom Experimentierkasten zum Spielzeugladen

Dass Britta Michel einmal ein Spielzeuggeschäft führen würde, war nicht abzusehen. Denn sie ist gelernte Pharmazeutin. Ihr Mann Christoph ist Chemiker und war eine treibende Kraft bei der Gründung des heutigen Entdeckerladens. 2005 entstand die Idee zu dem Projekt. »Mein Mann war in dieser Zeit arbeitslos und wollte Experimentierkurse für Kinder geben«, erinnert sich Britta Michel. Das war damals noch auf der Fischerstraße. Ein Jahr lang probierten die beiden diese Geschäftsidee aus. »Die Kurse kamen zwar gut an, aber von den Einnahmen allein hätten wir nicht leben können«, räumt die heute erfolgreiche Geschäftsfrau ein. Deswegen entwickelte sich aus den Kursen langsam der Plan, ein Spielwarengeschäft zu eröffnen. »Wir haben natürlich am Anfang ein paar Produkte gehabt, die wir begleitend zu unseren Kursen angeboten haben. Daraus wurde dann immer mehr«, erzählt sie mir fröhlich. Heute findet sich auf kleinem Raum ein ganzer Kosmos von Spielmöglichkeiten – darauf ist Britta Michel stolz. »Ich werde oft gefragt, wie ich zu meiner Auswahl komme. Und ich wundere mich selbst, wie gut das von Anfang an geklappt hat«, lacht sie.

Keinem Trend nachjagen!

Gleich beim ersten Gang über die Spielzeugmesse in Nürnberg war der Pharmazeutin und Mutter klar gewesen, was sie in ihr Geschäftssortiment aufnimmt und was nicht. Dabei wurde ihre Entscheidung nicht von Trends gelenkt, sondern von ihrem Bauchgefühl. »Ich habe mich einfach immer gefragt: „Womit kannst Du Dich identifizieren?“. Und das habe ich dann genommen und in meinem Laden angeboten«, erklärt sie mir ihr Konzept. In den zwölf Jahren seit dem Bestehen ihres Ladens hat sich natürlich einiges verändert. Ihre Zielgruppe ist jünger geworden, und die Anforderungen haben sich gewandelt. Die gemeinsame Zeit zwischen Eltern und ihren Kindern ist kostbar geworden. Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern ist ein wichtiger Faktor für die Freizeitgestaltung. »Wenn Kinder und Eltern zusammen etwas aufbauen oder basteln oder entdecken, dann freuen wir uns hier im Entdeckerladen«, meint Britta Michel mit einer überzeugenden Ehrlichkeit. Es ist ihr bei der Berufswahl immer darum gegangen etwas zu tun, das für sie selbst und für andere wichtig ist. Deswegen zieht sie schließlich die Arbeit im Spielwarengeschäft gegenüber der früheren Arbeit in der Apotheke deutlich vor. Sie widmet sich gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin der schönen Aufgabe, die Kindheit ihrer kleinen Kunden mit schönen Spielsachen interessant und spannend zu gestalten. Ihr Mann Christoph unterstützt sie trotz seiner Stelle als Chemiker im Außendienst noch bei ihrem Internetauftritt und betreut die Facebook-Seite des Ladens.

Mitarbeiterin Swantje Zschiesche und Inhaberin Britta Michel.
Swantje Zschiesche und Britta Michel. © Andreas Molau, Stadt Wolfenbüttel

Entdecken, kreativ sein, spielen …

Bei ihrem Angebot folgt die selbstbewusste Frau nicht dem Trend der Digitalisierung, ohne diese Entwicklung dabei zu verteufeln. »Das können andere einfach besser als ich«, lächelt sie. Wie bereits am Anfang ihrer Firmengeschichte ist der Experimentierkasten immer noch sehr beliebt bei den Kindern. Ebenso wie die Lupen zum Entdecken der Natur oder der große Kreativbereich. »Die Kinder sind viel besser als ihr Ruf«, versichert sie mir. Durch Computer und Handys gibt es teilweise Schwierigkeiten bei den feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder. Aber durch die regelmäßige Beschäftigung mit Britta Michels Entdecker-Spielzeug legen die Kinder diese Schwächen schnell wieder ab. Und ihr Spielzeug sorgt noch immer für strahlende Kinderaugen. Schließlich gibt es in ihrem Laden von »Stoffis« über Bücher, Spiele, Figuren, kleine Autos, und sogar Jonglierbedarf alles, was Kinder gerne machen – und natürlich was auch die Erwachsenen gern mal wieder machen möchten.

Alte Bekannte und neue Freunde

Dann schweifen meine Blicke über die Pixie-Buchreihe. Da gibt es tatsächlich noch Petzi. Den habe ich schon als Kind gelesen und meinen Kindern habe ich seine Geschichten ebenfalls vorgelesen. Abwechslung ist im Entdeckerladen wichtig. »Wir dekorieren oft um, bringen Sachen ins Lager und holen sie wieder raus, damit der Laden spannend bleibt – auch für Kunden die häufiger kommen. So können wir in dem kleinen Laden immer wieder etwas anderes in den Fokus rücken, je nach Saison und Jahreszeit«, erklärt sie mir ihr Ladenkonzept. »Leider vergrößert er sich nicht magisch«, bedauert Britta Michel und erinnert mich an die legendäre Tasche von Hermine. »Ich habe meinem Sohn alle Bände von Harry Potter vorgelesen. Ich liebe diese Bücher«, schwärmt sie. Überhaupt waren Bücher immer ein wichtiger Wegbegleiter für Britta Michel. Sie hätte sich auch gut vorstellen können, eine Kinderbuchhandlung zu eröffnen. Aber die beiden Buchhandlungen Steuber und Behr der Lessingstadt bieten bereits ausreichend Lesestoff an. Trotzdem gibt es bei ihr eine kleine Auswahl an besonderen Geschichten. »Ich freue mich zum Beispiel, dass ich ›Blitz, der schwarze Hengst‹ habe. Die Geschichte habe ich als Kind geliebt und es ist ein schönes Gefühl, dass es das Buch immer noch gibt«, schmunzelt sie. Zum Ende unseres Gespräches lerne ich dann noch das sympathische Seeungeheuer Hartlieb kennen. Hartlieb erinnert mich an das Kuscheltier Mümmel Max meiner Kinder. Ich bin mir sicher, dass sich die beiden gut verstanden hätten. »Er ist ein bisschen schwierig und nur in geeignete Hände abzugeben«, lacht die Inhaberin des Entdeckerladens. Ich nicke zustimmend, denn seine Augen verraten einen eigenwilligen Charakter. Leider sind meine Kinder schon zu groß um den Kauf von Hartlieb gegenüber meiner Frau zu rechtfertigen …

Aktionsfläche und Geschenkboxen

In der Mitte des Geschäfts steht ein Holzpferd – Susi. Bald wird dort alles zum Thema »Schulanfang« oder »Urlaub« stehen. Vielfalt ist Britta Michel in ihrem Laden wichtig. Davon profitieren die Kinder, bei denen die »Geschenkboxen« des Entdeckerladens besonders beliebt sind. Das funktioniert so wie die Hochzeitstische früher. »Die Kinder geben ihre Wunschliste bekannt und die Freunde suchen sich dann das passende Geschenk aus«, erklärt sie mir das Vorgehen. »Die Geschenke zum Kindergeburtstag werden bei uns stark nachgefragt. Daher haben wir auch viele kleine Geschenke in unserem Sortiment«, so Britta Michel.

Der sechsjährige Hund Frodo freut sich auf seinen Spaziergang.
Frodo freut sich auf seinen Spaziergang. © Andreas Molau, Stadt Wolfenbüttel

Zur Verabschiedung lerne ich dann noch ein weiteres Familienmitglied kennen: Frodo. Ihn kann man nicht kaufen. Der sechsjährige Hund hat die ganze Zeit geduldig gewartet und fordert nun sein Recht auf ungeteilte Aufmerksamkeit ein. »Er ist im Moment mein größtes Hobby«, sagt Britta Michael und streicht ihm liebevoll über den Kopf. Der Hund ist ein echter Ausgleich meint sie. Denn der Laden beansprucht auch viel Freizeit. Aber es ist kein klagender Unterton in ihren Worten. Denn der Entdeckerladen – das spüre ich – ist für Britta Michel mehr als ein Arbeitsplatz: Der Entdeckerladen ist ein echtes Wolfenbütteler Familienprojekt.

4 Gedanken zu “Im »Entdeckerladen« auf der Suche nach Kindheitserinnerungen

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